Flitterwochen zu dritt
richtig am Hals befestigt. Er hatte eine Hand unter das Hinterteil des Babys geschoben, und sie fühlte sich plötzlich feucht an. Irgendetwas roch unangenehm.
“Verflixt!” fluchte er, als irgendeine Flüssigkeit über sein Hemd lief. “Du hättest besser eine Gebrauchsanweisung mitgebracht, Söhnchen. So haben wir nun eine harte Zeit vor uns.”
3. KAPITEL
Das Haus hatte fünf Schlafzimmer. Julia suchte sich eines aus, das am anderen Ende des Flurs lag, so weit wie möglich von Bens Schlafzimmer entfernt. Glücklicherweise waren die Renovierungsarbeiten fast beendet. Das Zimmer roch nach frischer Farbe. An den Wänden hingen noch keine Bilder. Es gab noch keine Nachttischlampe, und das Bett war nicht bezogen. An den Fenstern hingen keine Vorhänge, und die einzige Lichtquelle war ein antiker Leuchter in der Mitte der Decke. Doch alles war besser, als mit Ben und dem Baby in demselben Zimmer zu sein. Das hätte sie nicht ertragen. Lieber hätte sie in der Garage geschlafen.
Julia betrachtete sich im Spiegel der Kleiderschranktür. Sie sah aus wie Frankensteins Braut - verstört dreinblickend und so weiß wie ihr Hochzeitskleid.
Fast alles war weiß gewesen - die Blumen, die Torte, die Limousinen. Sogar ihre Brautjungfern hatten Weiß getragen. Es war eine Idee ihrer Mutter gewesen. “Es ist nicht nur schick”, hatte sie gesagt, “es ist eine Deklaration deiner Unschuld. Du hast das Recht dazu, im Gegensatz zu vielen anderen Bräuten heutzutage. Nenn mich altmodisch, wenn du willst, aber Frauen, die sich vor der Heirat wie rollige Katzen verhalten haben, haben nicht das Recht, das Kirchenschiff entlangzuschreiten und sich als Jungfrau auszugeben, wenn sie sich schließlich entscheiden, mit einem Mann eine Familie zu gründen.”
Ben hatte Schwarz getragen. Zumindest passte das zu seinen Moralvorstellungen.
Ein Schluchzer schüttelte Julia, und als eine neue Welle des Kummers sie überkam, zerrte sie völlig außer sich an ihrem Kleid. Sie konnte den schmeichelnden, weichen Stoff nicht länger ertragen. Sie hörte, wie die kleinen Knöpfe absprangen, wie die feine Seide riss. Sie hörte das Klicken, als die von Hand aufgestickten Perlen über das Eichenparkett sprangen. Es machte ihr nichts aus. Das Kleid und alles, was es bedeutet hatte, waren eine Farce.
“Julia?” Bens Stimme direkt hinter der Tür ließ Julia ihre Schluchzer unterdrücken. “Darf ich hereinkommen?”
Sollte er sie so sehen, mit nichts anderem bekleidet als ihren Strümpfen und dem Mieder, das mehr von ihren Brüsten zeigte, als es verbarg? Mit dem abstehenden Haar, den Mascaraspuren auf ihrem Gesicht und ihren vom Weinen geschwollenen Augen? “Nein, darfst du nicht!”
“Ich habe deine Reisetasche heraufgebracht. Ich nehme an, du wirst sie brauchen.”
“Stell sie vor die Tür.”
Sie hörte sein frustriertes und ärgerliches Seufzen. Als ob sie es war, die alles ruiniert hatte. “Wie du willst.”
Schön wärs, dachte sie, als sie hörte, wie seine Schritte sich entfernten. Wenn es nach mir ginge …
Aber was nutzte es, darüber nachzudenken? In wenigen Wochen wurde sie vierundzwanzig. Sie glaubte schon seit Jahren nicht mehr an gute Feen. Keine würde vorbeikommen und alles wieder so machen, wie es gestern gewesen war.
Niemals würde es wieder so sein wie vorher.
Wie konnte ihre Ehe funktionieren, wenn das Vertrauen, auf das sie so ganz und gar gebaut hatte, auf einem Märchen basierte? Ihre Mutter hatte ganz Recht: Sie kannte ihn nicht.
Sein Äußeres hatte sich nicht verändert. Er war noch immer einsachtundachtzig groß. Seine Augen waren noch blau, sein Lächeln noch genauso sexy wie immer. Aber sein Inneres, das, worauf es ankam, war ihr fremd.
Sie, Julia, hatte gedacht, sie würde alles über ihn wissen. Ben und sie hatten Stunden, ja Tage damit zugebracht, einander Geschichten aus ihrem Leben zu erzählen. Sie wusste, dass er sein schwarzes Haar und seinen dunklen Teint von seinem texanischen Vater geerbt hatte, seine blauen Augen und seine Größe hingegen von seiner kanadischen Mutter, deren Vorfahren aus Norwegen kamen.
Sie wusste, dass er in einem Zug zur Welt gekommen war, der irgendwo in der kanadischen Prärie in einem Schneesturm stecken geblieben war, dass seine Eltern Texas verlassen hatten und in die Heimat seiner Mutter zurückgekehrt waren, um auf einer Farm ein neues Leben zu beginnen. Seine Mutter hatte die Farm von einem Onkel geerbt, den sie nie gesehen hatte.
Ausgestreckt vor dem Kamin in
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