Florentinerpakt
Leichnam des erschossenen Verbrechers aus der
Bank gebracht wurde und die Spurensicherung ihre Arbeit aufnahm, trat ein
uniformierter Beamter zu Musch und flüsterte ihm etwas ins Ohr. »Wer?« Musch
blickte irritiert um sich.
»Ein Major Brandtner vom niederösterreichischen
Landeskriminalamt ist eben eingetroffen und möchte mit dem Herrn sprechen«,
wiederholte der Polizist etwas lauter und deutete auf Garber.
»Na, Sie sind ja heute sehr gefragt«, spöttelte der Inspektor
in Richtung Bankdirektor. »Dann bitten Sie den Herrn Major zu uns.«
Diese Aufforderung war aber gar nicht mehr notwendig, denn
Brandtner, der schließlich auch nicht auf ›der Nudelsuppe dahergeschwommen‹
war, hatte sich inzwischen zu der Gruppe um Musch gesellt und seinen Ausweis
gezückt.
»Wer von Ihnen ist Herr Hans Garber?«, wollte er dann wissen.
»Um was geht es denn, Herr Kollege?«, mischte sich Musch ein.
»Wer sind Sie?« Brandtner kannte alle einigermaßen wichtigen
Leute der Kripo Döbling. Der kleine Aufgeblasene vor ihm gehörte definitiv
nicht dazu.
»Ich bin Inspektor Werner Musch, kommissarischer Leiter der
Kriminalabteilung auf der Hohen Warte«, erwiderte der Befragte.
»Ach, Sie sind der Nachfolger von Helmut Wallner.« Jetzt
erinnerte sich Brandtner, davon irgendwann einmal etwas in den Meldungen
gelesen zu haben. »Sind Sie mit Manfred Musch vom Kriminalamt Wien verwandt?«
Der Inspektor war es langsam leid, immer wieder als ›Bruder‹
identifiziert zu werden. Er nickte zwar knapp mit dem Kopf, nahm sich aber
gleichzeitig ganz fest vor, nichts unversucht zu lassen, auf dass von diesem …
Scheiß-Manfred schon bald nur mehr als ›Bruder von diesem vorbildlichen
Inspektor Werner Musch von der Hohen Warte‹ gesprochen werden würde. Sollte der
arrogante Pimpf doch auch einmal spüren, wie es war, immer über die
Verwandtschaft definiert zu werden.
»Ich bin Hans Garber«, gab sich dieser inzwischen zu erkennen
und hob dabei die rechte Hand wie in der Schule.
»Ich fürchte, ich habe eine schlechte Nachricht für Sie«,
begann Brandtner. »Können wir uns hier irgendwo ungestört unterhalten?«
»Sie können gleich hier sprechen«, meinte der Bankdirektor.
»Viel schlimmer als das, was mir heute schon zugestoßen ist, kann es wohl kaum
sein. Und Inspektor Musch wird sowieso keine Ruhe geben, ehe ich ihm nicht
erzählt haben werde, was Sie mir gesagt haben. So ist es für alle Beteiligten
einfacher.«
»Wie Sie meinen«, dem Major war das Wo egal. »Letzte Nacht
wurde Ihre Villa in Klosterneuburg durch eine Gasexplosion total zerstört.«
Fassungslos starrte der Bankdirektor den Überbringer der
Botschaft an, dann begann er, hysterisch zu lachen. »Na fein«, brüllte er,
»klasse! Zuerst werde ich als Vergewaltiger angezeigt, dann der Bankraub, und
jetzt ist auch noch mein Zuhause im Arsch. Dies ist wahrlich die friedlichste
Zeit des Jahres.«
Brandtner begann, was selten bei ihm vorkam, Mitleid mit dem
Menschen zu empfinden. »Das ist leider noch nicht alles. Mit ziemlicher
Sicherheit ist Ihre Frau bei der Explosion getötet worden.«
Während Garber erstarrte und in Tränen ausbrach, murmelte
Musch leise vor sich hin: »Meint er jetzt, dass die Frau mit ziemlicher
Sicherheit tot ist oder dass es sich mit ziemlicher Sicherheit um Frau Garber
handelt?«
Brandtner, der sehr gute Ohren hatte, schüttelte ungläubig
den Kopf und hoffte im Interesse der Döblinger Bevölkerung, dass ihr neuer Kripochef
nicht ganz so blöd war, wie er sich jetzt gerade anstellte.
Garber selbst hatte sich wieder auf den Boden gelegt, diesmal
in Fötushaltung, und wimmerte leise vor sich hin. Und es war Anni Enigler, die
anregte, ihren offenbar unter Schock stehenden Chef vorübergehend unter
ärztliche Aufsicht zu stellen. So kam es, dass er schon 20 Minuten später mit
dem Notarztwagen ins Allgemeine Krankenhaus gebracht wurde.
*
Rossbach hatte mit seinen telefonischen
Andeutungen nicht übertrieben. Was sich in den letzten Tagen abgespielt hatte,
war, falls alles wirklich so zutraf, wie der Arzt berichtete, mehr als
abenteuerlich. Aber, und auch das musste Palinski zugeben, es war wirklich
nicht leicht, sich die Mischung aus Fakten, Ahnungen und Spekulationen, die Rossbach
lieferte, im Verhältnis 1:1 in die Realität umgesetzt vorzustellen.
So war Axel – der Zahnarzt hatte vorgeschlagen,
der Einfachheit halber die Vornamen zu verwenden – vor
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