Florentinerpakt
schnell das Weite suchen.
Doch das konnte Garber nicht zulassen. Er schnellte hoch,
warf sich quasi über den Nachttisch und entzog damit das Corpus delicti dem
Zugriff des bösen Weibs. Das Glas mit der mit Wasser verdünnten ›Medizin‹ ging
dabei natürlich zu Bruch.
Der Polizist, kein wirklicher ›Schnellgneißer‹, stand ratlos in
der Türe und überlegte, was er tun sollte. Die falsche Schwester dagegen
entfernte sich rasch und entschlossenen Schrittes vom Bett, schubste den
Wachmann zur Seite, und schon war sie weg.
»Bitte verständigen Sie dringend die Polizei«, keuchte der
jetzt doch etwas angegriffene Garber.
»Aber ich bin von der Polizei«, stammelte der Uniformierte an
der Türe. »Um was geht es?«
Der Bankdirektor verdrehte verächtlich die Augen, dann
konkretisierte er. »Bitte verständigen Sie Major Brandtner vom Niederösterreichischen
Kriminalamt. Ich habe eine wichtige Aussage zu machen.«
*
Nach einem kurzen Abstecher in die Innere Stadt,
wo Palinski einige Besorgungen zu machen hatte, begleitete er Axel Rossbach zu
dessen Haus in Neuwaldegg. Der Zahnarzt wollte sich nur rasch etwas Wäsche und
einige persönliche Dinge holen. »Denn dass ich mich als Frau verkleiden lasse,
heißt noch lange nicht, dass ich mir auch einen Stringtanga anziehe.«
Das war die befreiende Assoziation gewesen, und die beiden
Männer begannen in typischer machopubertärer Art herumzublödeln, wie es ›echten
Mannsbildern‹ nun einmal zu eigen war. Beiden war das erschreckend tiefe Niveau
ihrer Unterhaltung wohl bewusst, dennoch genossen sie diesen Ausflug in gewisse
Abgründe ihrer Persönlichkeit, dunkle Nischen, deren Existenz sie unter
normalen Umständen vehement bestritten hätten.
Das Schöne an der Sache
war, dass sich der geistlose Exkurs vor die herrschende Anspannung schob wie
eine freundliche Wolke vor die sengende Augustsonne. Der leise Gedanke, dass
Rossbachs Verfolger möglicherweise doch in der Nähe des Hauses harrte und das
auch noch mit einer Schusswaffe, war nicht aus den Hinterköpfen der beiden
Männer zu bringen, auch wenn die Vernunft dies um diese Tageszeit und unter den
Umständen als sehr unwahrscheinlich ansah. Da wirkte die Vorstellung vom
Zahnarzt in Strapsen und Palinski mit Federboa und hochhackigen,
strassbesetzten Schuhen richtiggehend beruhigend, ja befreiend. Vor allem, wenn
man dazu noch lauthals »New York, New York« grölte.
Aber der Besuch in
Rossbachs Domizil verlief erfreulich ereignislos. Der einzige gröbere
Zwischenfall bestand darin, dass der Akku von Axels elektrischer Zahnbürste
leer und keine Zeit mehr zum Aufladen war. Doch Palinski gelang es, den
Zahnarzt davon zu überzeugen, dass sein strahlendes Gebiss durch einige Tage
manueller Reinigung kaum nachhaltig Schaden nehmen würde.
Auf dem Weg ins ›Theater an der Josefstadt‹ fiel die
Spannung von beiden ab und hinterließ ein indifferentes Gefühl. Fast fehlte
jetzt etwas, und das irritierte Palinski. »Ich glaube, in unserem derzeitigen
Zustand wären wir besonders angreifbar«, mutmaßte er mit dem Ergebnis, dass
sich neuerlich Spannung aufbaute.
Beate Wimmer war eine
Frohnatur par excellence. Ständig kicherte die Mitfünfzigerin und alberte
herum. Klar, dass Rossbachs Situation neben all ihrem Ernst auch ein paar
heitere Aspekte aufwies. Alle diese fand Beate in kürzester Zeit heraus und
noch einige mehr. Und so wurde die ganze Zeit, die Rossbach brauchte, um sich
für ein Kostüm (aus ›Hedda Gabler‹) und einen Hosenanzug (aus einem
Boulevardstück von Neil Simon) zu entscheiden, nur geblödelt und gekudert. So
richtig ausgelassen wurde es aber erst, als Beate dann noch ihre Freundin
Margarete beizog. Die Maskenbildnerin zeigte Axel nicht nur, wie man mit ein
wenig Make-up und einer Perücke auch als Mann äußerst feminin wirken, sondern
sein Gesicht völlig verfremden konnte.
Als die beiden Männer den Hort der Jünger Thalias endlich
wieder verließen, sah Rossbach in seinem schicken Hosenanzug aus wie eine etwas
zu groß geratene, schwarzhaarige Ausgabe Meg Ryans.
»Zum Verlieben«, konnte sich Palinski nicht zu sagen
verkneifen. Ja, selbst Axel, der unfreiwillige Star dieser Inszenierung, fand
schließlich Gefallen an den anerkennenden Blicken, die ihm die Männer aus den
andern Fahrzeugen zuwarfen.
Gegen 19.45 Uhr langten sie bei Palinskis Büro in der
Döblinger Hauptstraße an.
*
Wilma Bachler wich keiner
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