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Florian auf Geisterreise

Florian auf Geisterreise

Titel: Florian auf Geisterreise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: oliver Hassencamp
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dem kahlen Piefke; dem Denkmal, einem Mann, steif wie ein Betonpfeiler und ebenso wortkarg; und Mata Hari, der Heulboje am Krückstock.
    Im Verlauf des Essens erfuhr er allerlei Lehrreiches: Daß er seinem Großvater, den sie Winnetou nannten, ähnlich sehe. Noch ähnlicher allerdings der Großmutter, die nicht dabei war. Beide Feststellungen wurden ausgiebig belacht. Florian hörte gar nicht hin. Er hielt sich an den Hummer, dessen Vertilgung ihm zwar einige Schwierigkeiten bereitete, dessen Geschmack ihm jedoch so sehr zusagte, daß er dachte, es wäre schön, wenn Mutter ihm in Zukunft Hummerbrote für die Pause mitgeben würde, zumal Piefke gesagt hatte, Meerestiere seien für den Geist überhaupt das Beste.
    Die tausendjährige Klasse — aus einer Jungen- und einer Mädchenschule zusammengelegt, wie sich herausstellte — saß unter zwei Pilzschirmen an den zusammengeschobenen Tischen sechs und sieben. An einem der Schirmständer lehnte eine Gitarre, auf dem Parkplatz stand ein Kleinbus, den sie gemietet hatten. Der Ausflug sollte von hier aus nach dem Essen starten.
    „Dir schmeckt’s offenbar, Junge!“ Mata Hari sah ihn an, aus tausendjährigen Augen, wie ein Rhinozeros. Wenn sie sprach, schepperte ihre Stimme überhaupt nicht.
    Florian nickte, weil er sowieso gerade nicht antworten konnte und fand ihre Bemerkung auch nicht dumm. Denn irgendwie verbreitete diese alte Schulklasse eine Heiterkeit, die ansteckend war, und da sie alle nicht sonderlich viel aßen, das aber sehr langsam, kam er nach dem anstrengenden Trainingslauf zu beachtlichen Mengen. Der von ihm selbst gekochte Reis bewährte sich sozusagen als Löschblatt für eine gewaltige Soße von Agathe. Den kulinarischen Mount Everest stellte jedoch die Nachspeise dar, Zuppa Romana mit Namen, eine sahnige, mampfige , fruchtige, offenbar auch leicht alkoholische Supertorte, bei der es drei Stück erforderte, um voll auf den Geschmack zu kommen, während das tiefere Verständnis für den Genuß fünf Stück nötig machte. Mit sieben Einheiten, die ohne den Trainingslauf nicht möglich gewesen wären, lotete Florian das Produkt voll aus.
    Der ungehinderte Zugriff hing mit einem günstigen Umstand zusammen: Großvater konnte nicht auf ihn aufpassen. Winnetou war von dem zweifelsfrei mit Feuerwasser bestochenen August schon vor der Nachspeise zum Termin bei Tante Thekla geholt worden.
    Erst als Agathe den Mokka auftischte und den Cognac und die Zigarren — Erwachsene sind da ja hemmungslos — , kehrte er zurück.
    „Na, Winnetou, hat die Squaw für dich hellgesehen?“ fragte Zeppelin, und alle johlten, daß Florian sich wirklich wie in einer Schulklasse vorkam.
    „Noch heller geht’s nicht!“ antwortete der alte Winnetou, trat hinter Florian und flüsterte ihm zu: „Deine Tante möchte dich sprechen. Jetzt gleich.“
    Menschenskind, Tante Thekla ist ein Engel! dachte er. „Wenn ich mich nicht umgehend bewege, platze ich!
    Das Schild „Bitte nicht stören!“ hing, wie meistens, an der Tür, störte ihn aber nicht. Madame Thekla saß in ihrem Sessel.
    „Ich hab zwei neue Hobbys!“ verkündete er. „Hummer und Zuppa Romana!“
    „Setz dich“, sagte sie ernst. „Jetzt will ich dir mal zeigen, wie Schicksal funktioniert.“ Sie wartete, bis sich Florian auf den Kundenstuhl gesetzt hatte. Dann fuhr sie fort. „Dein Großvater, sonst, wie die ganze Verwandtschaft, nicht mein Freund, machte einen Anstandsbesuch, und ließ mich, aus Neugier, auch in die Zukunft schauen. Ich war sehr vorsichtig, weil das alles in der Familie beredet wird, sagte ihm einige Dinge, die ihn verblüfften die er aber nicht weitergeben wird. Was ich wirklich sah, die Hauptsache, sagte ich ihm nicht: akute Lebensgefahr! Nicht für ihn persönlich, aber für jemand aus seiner Klasse. Ich sag das nur dir, denn ich möchte die alten Leute nicht unnötig aufregen. Du mußt mir helfen, Flori !“
    „Klar.“ Er nickte. Mit dem vollen Bauch nicht sonderlich begeistert.
    „Du wirst mich begleiten.“
    „Soll ich dein Auto aus der Garage fahren?“
    „Nein. Hör mir erst zu, was ich gesehen habe: Die Schulklasse bricht in fünf Minuten von hier zum Aussichtsturm auf. Sie gehen aber nicht bis hin, sondern biegen im Wald links ab...“
    „Zu der Lichtung“, unterbrach Florian.
    Sie nickte. „Du kennst dich ja aus. Dort haben sie vor sechzig Jahren ihr Picknick abgehalten. Es gibt da eine Art Naturbühne...“
    Wieder unterbrach Florian. „Einen Hügel mit einer Bank

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