Florian auf Geisterreise
vermutet hatte — sein Vater. Ihm gegenüber und auf ihn einredend, das Duftärgernis, die Zwiebelfisch!
Er lief Agathe nach und hielt sie am Ärmel fest. „Mein Vater! Ich bleib hier.“
Ohne zu fragen, warum er ihn nicht sehen wolle, nickte sie und ging weiter.
Hat Tante Thekla wieder einmal recht gehabt! kombinierte Florian in seinem Ausguck über Wagendächer. Sein Vater mußte wirklich ihr Typ sein, denn sie redete wie eine Irre auf ihn ein, unterstrich jedes Wort mit eindringlichen Gesten.
Erst nach mehreren Anläufen gelang es Vater, auch etwas zu sagen. Offensichtlich widersprach er ihr. Aber sie wollte nicht wahrhaben, was er sagte, und schüttelte unentwegt den Kopf.
Wie im Stummfilm! dachte Florian.
Da fiel es ihm wieder ein: Frau Zwiebelfisch hielt Vater für denjenigen, der sie zum Film geschickt hatte, morgens um sieben!
Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, konnte er sich zu den Gesten der beiden den passenden Text ausmalen.
„Aber ich bitte Sie!“ schien sein Vater zu sagen.
„O nein! Ich weiß, was ich weiß!“ entgegnete sie beleidigt, und Vater nahm in seiner zurückhaltenden Art einen neuen Anlauf.
Anfangs belustigte ihn das gestenreiche Spiel, doch je länger Florian zusah, desto ärgerlicher wurde er. Was nahm sich diese Person eigentlich heraus? Sollte sie seinen Vater doch in Ruhe lassen! Er wollte ja nichts von ihr. Sicher hatte sie ihn angerufen und zu dieser Unterredung bestellt. Er war höflicherweise gekommen und mußte sich jetzt ihre Beschuldigungen und Vorwürfe anhören und erfuhr dabei überhaupt erst, was passiert war.
Das Unrecht, das seinem Vater hier geschah, brachte ihn auf eine Idee, die er zunächst verwarf, die sich aber in ihm festsetzte, bis er ihr nicht länger widerstehen konnte. Die Daumen in den Gürtel gehakt, überquerte er die Straße wie der unerschrockene Sheriff in einem Western, trat an den Tisch, wartete, bis sie mürrisch die Köpfe drehten und beide zusammenzuckten.
Kühl sah er der Frau Zwiebelfisch ins Auge und sagte: „Ich weiß, was hier gespielt wird. Sparen Sie sich Ihre Vorwürfe! Mein Vater hat’s nicht getan.“
Für Sekunden war sie platt. Dann palaverte sie los: „Unerhört! Du... du hast mich belauscht... du...“
Florian hörte überhaupt nicht hin. Er hatte sich seinem Vater zugewandt. „Du sollst nach Hause kommen. Mutter wartet!“ Auf dem Absatz drehte er sich um, konnte die Straße vor einem Omnibus gerade noch gefahrlos überqueren. Bis das große Fahrzeug die Konditorei passiert hatte, war Florian verschwunden.
Agathe saß mit allen lukullischen Genüssen schon im Wagen. „Na?“ Sie grinste ihn an.
„Ich hab ein bißchen Hellseher gespielt.“ Er zog die Tür hinter sich zu. „Ein sehr schöner Beruf!“
Agathe fuhr los. „Dann weiß ich Bescheid. Ich habe deinen Vater auch gesehen.“
Beide mußten lachen.
„Das ist das Schöne bei uns Sensitiven!“ freute sich Florian. „Man muß nicht alles zehnmal erklären.“
Sie hielt jedoch nicht lange, seine gute Laune. Je mehr er über seinen forschen Auftritt nachdachte, desto ungemütlicher wurde ihm dabei.
Eigentlich habe ich mich nur selbst verraten! dachte er. Woher weiß ich sonst, daß Vater es nicht war? Und woher weiß ich, daß die Zwiebelfisch ihn verdächtigt? Und wie steh ich da, wenn sie über etwas ganz anderes geredet haben?
Agathe schien seine Gedanken zu lesen. Sie schwieg. Weil aber Nichtreden jedes Problem nur schlimmer macht, wiederholte er die Mutmaßungen über seinen Fehler laut.
„Wart ab, bis du mit deiner Tante geredet hast!“ riet sie ihm. „Vielleicht sieht dann alles anders aus.“
Dieser Rat half ihm über die drei Stunden bis zum Abendessen hinweg. Um nicht daran zu denken, machte er sich bei den Vorbereitungen für den Schulausflug besonders nützlich. Er kochte den ersten Reis seines Lebens.
August kam in die Küche. „ Flori , Telefon für dich!“
Das bedeutete nichts Gutes. Wie erwartet, war es sein Vater.
„Sag mal, du machst ja tolle Sachen!“ begann er — ohne vorwurfsvollen Unterton. „Färbt Tante Theklas Hellsehen schon auf dich ab? Kommt da an den Tisch und trifft genau ins Schwarze! Frau Treitschke- Zwiebenich hatte mich im Verdacht, weil Tante Thekla ihr gesagt hat, ein Mann aus Neustadt habe ihr einen bösen Streich gespielt. Jetzt weiß ich, wer der Mann war! Ich muß dir gratulieren. Dein Denkzettel hat ihr gutgetan. Und dein Auftritt im Café hat sie vollends kuriert. Hoffentlich!“
Florian
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