Florian und das Geisterhaus
spricht fließend italienisch.“
Florians Puls klopfte zum Zerspringen. „Ja, aber...?“
„Der richtige Filippo nimmt in den Astralurlaub nur sein Bewußtsein und seinen Charakter mit“, erklärte sie. „Sprache, Ortskenntnis, Gewohnheiten bleiben im Körper, in den du einziehst. Sonst findest du dich in Sizilien ja nicht zurecht, und die Umwelt schöpft Verdacht.“
„Und was machst du?“ Ganz allein wollte Florian nicht in dem italienischen Taxi sitzen.
„Ich nehme mir Teresa, Filippos Mutter, bin klein und dick und die Witwe eines Fischers.“
„Dann sind wir also zusammen?“ vergewisserte sich Florian noch einmal.
„Tag und Nacht!“ bestätigte sie. „Wir schlafen sogar im gleichen Zimmer, denn wir sind sehr arm.“
Obwohl Florian durch seine Tante schon einen beachtlichen Einblick in den übersinnlichen Bereich hatte, überstieg dieses Taxiunternehmen, von dem sie sprach, als handle es sich tatsächlich nur um einen Leihwagen, doch sein Vorstellungsvermögen. Schritt für Schritt mußte er sich Klarheit verschaffen. „Wir lassen unsere Körper hier — , deswegen die Kellerklinik!“ mutmaßte er.
„Die erklär ich dir nachher!“ unterbrach sie.
Laut dachte Florian weiter. „Du ziehst also mit Hypnose oder so meinen Geist aus meinem Körper, oder meinen Astralkörper aus meinem physischen Körper, wie du das nennst, und bei dir selber auch. Unsere Körper bleiben hier, unsere Geister fliegen nach Sizilien „Sie denken sich hin, und schon sind sie dort“, verbesserte die Tante.
„Okay. Wir sind dort und schweben unsichtbar um Filippo und Teresa herum“, dachte er weiter. „Die leben da wie immer. Wie aber kommen wir in ihre Körper rein? Ihre Ichs oder Seelen oder was sind ja noch drin!“
„Eine sehr kluge Frage!“ befand Tante Thekla. „Du meinst, ob unsere Astralkörper ihre Astralkörper aus ihren physischen Körpern herausziehen können. Das schaffe ich mit Konzentration. Außerdem wird Charlie, mein verstorbener Mann, uns behilflich sein. Er hat Teresa und Filippo für uns ausgesucht.“
„Ja, das wollt ich schon fragen!“ ereiferte sich Florian. „Wo kommen die Leute her? Warum sind’s gerade die?“
Tante Thekla mußte lachen. „Ich weiß, du möchtest lieber in den besten italienischen Mittelstreckenläufer hineinversetzt werden! Aber das geht nicht. Umsteigen kannst du nur auf Seelen von derselben elektromagnetischen Frequenz wie wir sie haben. Und die kann nur ein Außerirdischer feststellen.“
Onkel Charlie stellte für Florian keine Überraschung dar. Mit ihm sprach die Hellseherin regelmäßig. Der zukünftige Filippo hatte andere Sorgen. „Was machen Filippos und Teresas Geister, wenn sie draußen sind? Wissen die dann, daß wir ihre Körper als Taxi genommen haben?“
„Vom logischen Standpunkt aus, eine gute Frage!“ lobte Tante Thekla. „Aber Logik genügt nicht in dem Bereich, in den wir uns begeben. Da ist alles multidimensional, also gleichzeitig mehrschichtig. Ich kann dich beruhigen: Die beiden wissen nichts von uns. Dabei tun wir ihnen gut. Unser Besuch wirkt sozusagen bewußtseinserweiternd . Danach werden sie glauben, tief geschlafen und geträumt zu haben. Im Traum verläßt der Geist den Körper ja regelmäßig. Sonst könnte der nicht schlafen. Neu ist nur, daß inzwischen jemand anderer einzieht.“
Ganz konnte sich Florian von der Logik noch nicht freimachen. „Und was ist, wenn der Taxigast etwas Schlimmes tut, ein Verbrechen begeht? Kommt der eigentliche Körperbesitzer dann ins Gefängnis? Das wär doch ungerecht!“
Die Tante lachte. „Oh, Flori ! Deswegen lasse ich die Gewohnheiten ja drin! Damit er nichts grundsätzlich anderes tut.“
„Ja, bin ich dann Filippo und gar nicht ich?“ Die Vorstellung war Florian ausgesprochen unangenehm.
„Keine Ungeduld!“ mahnte die Tante. „Du wirst großen Spaß haben und dich nebenbei selber besser kennenlernen.“ Florian dachte an den Spaß, den er bei seiner ersten Astralreise mit Tante Thekla gehabt hatte. Angst hatte er nicht. In übersinnlichen Angelegenheiten, und überhaupt, konnte er sich blind auf sie verlassen. Mit roten Ohren und pappsatt von den aufregenden Neuigkeiten, saß er auf dem Kundenstuhl. Sein Ferien-Ich begann ihn zu interessieren, und so fragte er: „Was macht denn Filippo gerade?“
Tante Thekla neigte den Kopf zu der vertrauten Bewegung. Sie legte die Fingerspitzen an die Schläfen und konzentrierte sich auf die Kristallkugel. „Er spielt am Strand
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