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Florian und das Geisterhaus

Florian und das Geisterhaus

Titel: Florian und das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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der hysterischen Magermilch dachte ich, die vielen Apparate wirken beruhigend.“ Sein Atem verriet, daß er diesen Gedanken nicht im Zustand völliger Nüchternheit gefaßt hatte.
    Agathe nahm die Hilfeleistung im Speisesaal vor. Unter dem Türstock, mit Rücken zur Diele, stand der lange Hagere, worauf es Florian vorzog, mit einem Trainingssprint nach oben zu verschwinden. Er ging in Agathes Zimmer und nahm seine Querlage am Fußende wieder ein. Dabei kam ihm ein merkwürdiger Gedanke: Ich hab vorhin stark an die Kellerklinik gedacht, weil ich Agathe danach fragen wollte. Ob August meine Gedanken als elektromagnetische Wellen empfangen hat und deswegen mit der Magerquark runtergegangen ist? War ich vielleicht der Sender für seine Idee?
    Doch er verwarf den Gedanken: Dann müßte August ja medial begabt sein! Endlich habe ich mich umgestellt, ich denke schon wieder auf zwei Ebenen. Hurra! Aber ich denke nur. Tante Thekla kann sich auf beiden betätigen — das ist der Unterschied! Sie kann hier in ihrer Pension Kaffee trinken und gleichzeitig an einem anderen Ort jemanden beobachten, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft. Wie mag da die dritte Ebene sein? Ich soll sie ja bald kennenlernen, hat sie gesagt...
    Florian begann zu träumen. Er sah sich mit Tante Thekla beim Abendessen in ihrem Zimmer und gleichzeitig mit Agathe im achtzehnten Jahrhundert auf einem Segelschiff vor der amerikanischen Küste. Er als Kapitän, sie als seine Schwester, die gerade kochte, und ebenfalls gleichzeitig, sich allein in der Zukunft, zwei Nächte voraus in Neustadt bei der Zigarillowitwe als angeblicher Schlafwandler, die Treppe hinunter zum Kühlschrank schleichen. Plötzlich war die Treppe weg. Florian fiel und fiel, überkugelte sich, taumelte endlos durch den pechschwarzen Weltraum, bis der Fall ebenso plötzlich weich abgebremst wurde.
    „Hast du dir weh getan?“ fragte eine ferne Stimme, die er kannte. Agathe. Es gab keinen Zweifel, der Kapitän war die steile Treppe zur Kombüse hinuntergestürzt. Oder war er gar nicht auf dem Schiff, sondern bei Tante Lene?
    „Schnell!“ sagte Agathe jetzt viel näher. „Bevor die kommen. Sonst gibt’s wieder ein Theater.“
    Florian sah sie an. Auf dem Gästeflur, am Fuß der Steiltreppe, kniete sie neben ihm und hielt ihn im Arm.
    „ Mannometer !“ brummte er.
    Auf der unteren Treppe hörten sie Frau Diätbier. Er rappelte sich hoch und schlich mit Agathe die Steiltreppe wieder hinauf. Nichts tat ihm weh. Es war, als wär er überhaupt nicht gefallen. Hatte er nur geträumt?
    „War das ein Schreck in der Abendstunde!“ Agathe kroch ins Bett, er legte sich am Fußende quer. „Sag mal“, fuhr sie fort, „die Nummer war ja zirkusreif! Ich hab der Frau den Finger verbunden, geh die Treppe rauf, da kommst du mir mit geschlossenen Augen entgegen. Ich bin vielleicht erschrocken! Plötzlich stolperst du, duckst dich aber geschickt, kugelst runter, und ich kann dich auffangen. Zuerst dachte ich, du wärst bewußtlos, weil du dich überhaupt nicht bewegt hast. Was war denn los? Ist dir schlecht?“
    Den Streich begreifend, den Phantasie und Schlaf ihm gespielt hatten, schüttelte er den Kopf. „Ich mußte nur erst zweihundert Jahre vorwärts, in Neustadt an Land gehen, und zwei Tage zurück, und das, nachdem ich mehrere Jahre lang durch den Weltraum gefallen bin...“
    „Aha!“ Agathe sah ihn an, als habe er doch Schaden genommen bei dem Treppensturz. Doch er konnte sie von seiner Unversehrtheit ebenso überzeugen, wie sie ihn von seinem ersten, nicht simulierten Schlafwandel.
    „Wann bist du denn raufgekommen?“ fragte er zur weiteren Klärung.
    „Vielleicht fünf Minuten, nachdem du dich verdrückt hast.“
    „Phantastisch!“ schwelgte Florian. „Zum erstenmal war ich aus eigener Vorstellungskraft außerhalb von Zeit und Raum, auf drei Ebenen!“
    Agathe lachte. „Das hört sich an, als wärst du die Treppe raufgefallen statt runter.“
    Florian mußte gähnen. Dabei fiel ihm seine Frage wieder ein, mit der alles angefangen hatte. „Was ist eigentlich mit dem Keller da los? Du hast August ja richtig angefaucht.“
    „Das“, antwortete sie, „erzähl ich dir ein andermal. Bei deiner Phantasie ist das kein Thema für die Nacht. Sonst marschierst du womöglich noch mal los und trittst Frau Magerbier auf die Finger.“

Astraltourismus

    Zweimal legte Florian die Strecke zum Waldweiher zurück. Zuerst langsamer, dann in scharfem Tempo. Heute tat ihm der

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