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Florian und das Geisterhaus

Florian und das Geisterhaus

Titel: Florian und das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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ging ins Haus. Florian folgte ihm. Hätte er seinen Körper dabeigehabt, es hätte ihm den Atem verschlagen, so durcheinander, schmutzig und ärmlich wirkte alles.
    Der Steinbau war in zwei Räume aufgeteilt. Die rauchgeschwärzte Küche mit Herd für Holzfeuer, daneben eine Elektroplatte, ein schiefes Regal voller Kram, obenauf ein altes Radio. Über dem Spülstein ein Bild des Papstes. In der Ecke eine Wandnische mit einer Marienstatue, über deren Arm ein Rosenkranz hing, davor das Ewige Licht und drumherum allerlei religiöser Kitsch, ein Weih Wasserbecken mit betendem Engel, der Lehrer Hempel ähnlich sah, Postkarten von Heiligen in grellen Farben, eine Tasse mit Jesusbild. In der Mitte standen ein unaufgeräumter Tisch und drei Stühle. Hier hielt sich Filippo nicht auf. Er ging gleich in den anderen Raum, der nur durch einen Vorhang aus Schnüren mit Glas- und Holzperlen abgeteilt war. In der Mitte stand, gewissermaßen als Trennwand, ein alter Schrank mit einem Spiegelscherben an der Tür und obendrauf ein Koffer. Davor und dahinter je ein Bett primitiver Bauart, voll gammeliger Decken und Kissen, jedoch ohne Bettzeug.
    Igitt!
    Wie er war, hechtete Filippo auf das hintere Bett, legte sich auf die Seite, zog die Knie an, klatschte sich ein Kissen aufs Ohr, um nichts mehr zu sehen und nichts mehr zu hören.
    Florian fühlte mit ihm. Das hätte er am liebsten auch getan. Hier sollte er also seine Ferien verbringen?
    Zutiefst enttäuscht, schwebte er vor dem einzigen Fenster. Draußen wurde es dunkel.
    Teresa stellte die zerbeulte Blechschüssel auf den Tisch, angelte aus dem Durcheinander im Regal zwischen einem verklebten Marmeladenglas und einer Haarbürste ein Zigarettenpäckchen. Nachdem sie mit ihrer Fülle dem Stuhl ihrer Wahl ein ängstliches Ächzen entlockt hatte, zündete sie die Zigarette an, griff nach der offenen Weinflasche und nahm einen großen Schluck.
    Nebenan streckten sich Filippos Beine, das Kissen rutschte ihm vom Kopf und ein tiefer Atemzug verriet, daß er schlief.
    „Bitte umsteigen!“ funkte Onkel Charlie. „Thekla kommt nach! So lange sie zornig ist, halte ich sie zurück, sonst verprügelt sie dich. Ja dann: Frohe Ostern, Flori !“
    Die Schwingung verschwand. Plötzlich wurde der schlafende Filippo für den astralen Florian zum Magneten. Wie ein Staubsauger schnaufte er ihn ein. Ganz ohne Schmerz.
    Florian zählte rückwärts, als wolle er bei Null wie eine Rakete starten, zurück in die Pension Schicksal.
    „Zehn, neun, acht, sieben, sechs... cinque , quattro , tree ...“, zählte er, ohne es zu wollen, italienisch weiter, „due, uno, zero . — Nichts! Niente!“
    Der Fuß tat ihm weh, mit dem Filippo auf die Blechschüssel getreten hatte. Das löste Kombinationen aus.
    Was geht mich der Fuß an! Ist ja nicht meiner. Aber mir tut er weh. Aufhören! Schmerz laß nach, ich bin hier nur Gast! Schlimm ist es nicht, aber eine Unverfrorenheit von Filippo, mir das dazulassen. Sein Bewußtsein ist draußen, und mein Bewußtsein spürt seinen Fuß. Es ist wie mit einem Leihwagen: Erst unterwegs merkt man die Mucken! Hat Papa mal gesagt. Da lieg ich nun. Wieso stört mich das Gammelbett nicht mehr? Das Kissen? Sie gehören zur gewohnten Umgebung von meinem Taxi. Die Gewohnheiten sind ja dringeblieben. Und die Sprache. Ich kann das alles auch auf italienisch denken. Fantastico !
    Er drehte sich auf die andere Seite.
    Was ist das? Da tut ja noch was weh. Die Schulter! Scheint eine Prellung zu sein. Vielleicht ist Filippo gestürzt, oder er hat einen Schlag bekommen? Verdammte Schweinerei! Porcheria ! Kommt alles von seinem blöden Jähzorn! Den hab ich jetzt auch am Hals. So ein Mist! Ich will Florian bleiben und diesen Cretino nur als Taxi! Keine Mixtura . Was bin ich denn jetzt? Florian oder Filippo? Oder Florippo ? Wo ist Tante Thekla, daß sie mir sagt, wie man umgeht mit diesem Spaghettimonster! Da kommt sie ja. Endlich!
    Die schwarze Kugel teilt den Perlenvorhang, schaut um die Schrankecke.
    Florippo lächelt sie an. „Das ist vielleicht ein Ding, Tante. Mannometer !“
    „ Che cosa mannometro ?“ fragt sie barsch und verschwindet mit theatralischen Armbewegungen hinter dem Schrank.
    Zu früh! stellt er fest. Teresa ist noch Teresa originale. Das hätte schiefgehen können! Ach was, Quatsch. Sie weiß ja nichts von mir. Wenn ich deutsch rede, denkt sie, Filippo spinnt. Nicht mal das! Er soll ja Deutsch können. Wie gut, das muß ich noch rauskriegen. Und einiges mehr. Nur wie?

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