Florian und das Geisterhaus
Stößen, Kniffen.
Florippo duckt sich, krümmt sich, weicht aus. „Die Polizei...“, keucht er.
„Polizei?“ wiederholt sie, läßt die Arme sinken. Forschend ruht ihr Blick auf ihm.
„Der Maresciallo !“ Er senkt den Kopf.
„Dieser alte Tagedieb!“ Sie streichelt ihn. „Mein armer Ippocampo .“ Plötzlich hält sie inne und fragt barsch: „Hast du dich erwischen lassen?“
„Ich war auf der Wache.“
„Auf der Wache?“ wiederholt sie theatralisch. „Madonna! Blöd wie sein Vater! Stiehlt und läßt sich die Beute abnehmen. Auf der Wache! Alle werden es erfahren. Oh, diese Schande!“
„Er hat mich laufen lassen“, sagt Florian. „Ich hab nichts bei mir gehabt.“
Übergangslos wie das Donnerwetter kam, scheint wieder die Sonne. Die schwarze Kugel lacht und tätschelt ihn. „Warst schneller! Hast die Sachen versteckt! Wie dein Großvater, hahaha! Und was hast du gesagt, wo du herkommst?“
Die Geschichte vom Schlafwandler mit allen Einzelheiten versetzt Teresa keinen Bildungsschock. Mutterstolz strahlt aus der schwarzen Kugel, die Augen leuchten wie gefüllte Pralinen. „Schlagfertig wie die Oma! Mein gescheiter Ippocampo .“
Die schwarze Kugel rollt ins Haus und rollt nur noch für ihn. Als Frühstück tischt sie Spaghetti auf, mit Tomatensoße und Käse. Dazu einen Schluck Wein.
Florian brächte angesichts der hygienischen Verhältnisse keinen Bissen hinunter, hätte er nicht auf der ereignisreichen Probefahrt gelernt, mit seinem Taxi umzugehen. Er verlagert die Konzentration auf Filippo, und schon schmeckt es ihm. Alles eine Frage der Gewohnheit!
Da fällt ihm ein, was er schon lange vorhat. Mitten im Essen greift er einen Kamm aus dem Regal und schiebt damit das Schwarz unter den Fingernägeln hinaus.
Andächtig hat die schwarze Kugel die Untat zur Unzeit verfolgt. Jetzt droht sie zu platzen, offenbar vor Glück, wie er dem einen Wort entnimmt, das sie mehrfach wiederholt und das kein italienisches Wort ist: „Gentleman! Gentleman! Ohne den Tisch abzuräumen heißt sie ihn, sich für die Kirche umzuziehen, denn es ist Ostersonntag. Um alles zu finden, muß Florian die Konzentration ganz auf Filippo verlagern. Aus möglichst astralem Abstand schaut er zu, wie sich sein Taxi in der verbeulten Blechschüssel den Hals wäscht, ein weißes Hemd anzieht, eine lange Hose, schwarzen Pullover, weiße Socken und ziemlich neue, deutsche Schuhe — er kennt das Firmenzeichen innen und kann sich nach den jüngsten Ereignissen ausmalen, wie sie wohl in dieses arme Häuschen gekommen sein dürften.
Teresa hat um die kleine schwarze Kugel, die auf der großen schwarzen Kugel sitzt, ein schwarzes Tuch gebunden, vom Arm der Madonna in der Nische den Rosenkranz genommen und das Gesangbuch von dem Plastikeimer mit der Aufschrift Markensenf.
Die Glocken der Dorfkirche läuten, als wär’s der Petersdom in Rom. Von allen Seiten streben sauber gekleidet die Einheimischen zum Gottesdienst, grüßen, winken und reden gemessener als sonst.
In den teuren Schuhen sticht der arme Fuß wieder. Aber nur ein bißchen. Die Konzentration, nicht ganz halb und halb verlagert, lernt Florian die Freunde seines Taxis samt ihren Eltern kennen. Felice, den Sanften, Cesare, den Starken und den überraschend blonden Roberto, der noch eine Abreibung zu kriegen hat. Alle sind sauber rausgeputzt und grinsen, weil es lustig ist, wenn man so gewaschen ist und brav sein muß.
Ich war mit meinen Eltern nie in der Kirche! fällt Florian ein. Die schlafen sicher noch, oder sind schon wieder unter Wasser. Und Mama hat Angst! Wo nur Tante Thekla bleibt? Wahrscheinlich streitet sie noch mit Onkel Charlie. Astral hat sie ja kein Zeitgefühl. Sicher hat sie mal nach mir geschaut. Wenn Agathe mich jetzt sehen könnte! Muß ein Foto von mir organisieren, im Taxi. Außer ihr glaubt mir’s ja keiner! Hier als Italiener unter Italienern und doch ich — , das ist einmalig! Wo andere schon froh wären, wenigstens astral zu sein! Am besten kann ich beobachten, wenn ich die Konzentration zu sechzig Prozent auf Filippo verlagere. Bei sechzig Prozent auf mich, wird seine Umwelt stutzig. Das hab ich jetzt schon im Gefühl.
Am Kirchenportal, wo die Zuströmenden sich stauen, läßt er seinem Taxi Leine. Sofort schlängelt sich Filippo hinter Roberto und tritt ihn, im Gedränge, wo dieser sich nicht wehren kann, mehrmals mit dem Knie in den Hintern. Und wie!
Niemand hat es bemerkt, nicht einmal Teresa, obwohl sie ihn an der Hand
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