Flowertown - Die Sperrzone
auf zu engem Raum. Das war der Zeitpunkt, als aus PennCo Flowertown und aus neunzehneinhalb Quadratkilometern eine eigene Welt wurde.
Rachel ließ die Tür offen, als sie das Zimmer betrat. Es kümmerte sie nicht, dass Ellie nackt herumstand, während sie ein T-Shirt auf Flecken inspizierte. Rachel spuckte in das Waschbecken und lehnte ihren Kopf gegen das kühle Metall. »Sag mir noch einmal, wie cool Las Vegas ist.«
»Nicht so cool.«
»Falsche Antwort.« Rachel nahm einen Krug mit Eistee aus dem kleinen Kühlschrank und machte sich daran, ihn in einem Zug auszutrinken. Als sie fertig war, wischte sie sich den Mund mit dem Handrücken ab. »Ellie, du solltest mir eigentlich von den Wahnsinnsclubs, den umwerfenden Shows und den scharfen Kerlen erzählen. Und vergiss die Buffets nicht, auf denen es Filet Mignon für einen Dollar gibt und Kartoffeln, die so groß wie der Kopf eines Hundes sind.«
Ellie befand das Shirt für ausreichend sauber und zog es sich über den Kopf. »Ich an deiner Stelle würde mich nicht auf allzu umfangreiche Schlemmerorgien freuen. Mit etwas Glück kannst du Toastbrot vertragen, wenn du die Entgiftungskur hinter dir hast.«
Rachel trat einen Berg sauberer Wäsche beiseite und ließ sich auf ihr Bett fallen. »Es ist alles deine Schuld. Du hast mir von diesem coolen Junggesellinnenabend erzählt, wo sich der Bulle als Stripper entpuppte und du Hurricane-Cocktails quer über dein Brautjungfernkleid gekotzt hast.«
»Ja, tja, das war damals in den glorreichen Zeiten, als wir noch öffentliche Toiletten benutzen durften und mit unseren Autos hinfahren konnten, wohin wir wollten.«
»Du Grufti.« Rachel benutzte diesen Spitznamen für Ellie immer dann, wenn ihr Gespräch auf die Zeit vor dem Chemieunfall kam. Rachel war erst zweiundzwanzig, zehn Jahre jünger als ihre Zimmergenossin und wild entschlossen, die vierwöchige Entgiftungskur durchzustehen, die erforderlich war, um dasLager für ein Wochenende zu verlassen. Die Medikamente und die vorgeschriebenen Einläufe setzten dem Körper übel zu und raubten den Menschen jegliches Gefühl von Würde, aber Rachel war nur ein junges Mädchen vom Land und kannte »Sin City« lediglich aus dem Fernsehen. Sie würde jedes Opfer bringen, um sich anlässlich der Hochzeit ihrer Schwester dort mit der Familie zu treffen.
»Schicke Blutergüsse.«
Ellie schaute an sich herunter und bemerkte die dunklen, violetten Flecken, die sich auf ihren Oberschenkeln abzeichneten. Sie passten schön zu den Kratzern von den Ziegelsteinen auf ihrem Rücken. »Guy ist Romantiker.«
»Ja, wo war es diesmal? Auf dem Müllcontainer?«
»Der hintere Treppenschacht.« Sie fuhr in ein Paar Jeans, um Unterwäsche scherte sie sich nicht. »Ich durfte seine Waffe anfassen.«
Rachel lachte, während sie einen fetten Joint anzündete, zu lange inhalierte und eine Lungenladung Rauch aushustete. »Das glaube ich dir gerne! Hat er dich wenigstens auf die Lippen geküsst?« Ellie nahm den Joint und zog daran. »Kommt darauf an, welche Lippen du meinst.«
Sie unterdrückte ein Husten und behielt den Rauch drinnen, während Rachel darum bettelte, noch einmal ziehen zu dürfen. »Hier, der Rest ist für dich. Ich habe schon gekifft, bevor ich duschen ging. Besser gesagt, als ich noch glaubte, dass ich duschen gehen würde.«
»Ich verstehe nicht, wie du high arbeiten gehen kannst, Ellie.«
»Ich arbeite in der Archivverwaltung. Glaube mir. Ich spalte keine Atome.«
Die PennCo Archivverwaltung belegte zwei Drittel im zweiten Stock eines ehemaligen Warenhauses für Landwirtschaftsbedarf.Wie immer zückte Ellie ihren Dienstausweis vor dem Wachmann, der ihn wie immer nicht beachtete, und durchquerte den vorderen Flur, vorbei an parzellierten Arbeitsnischen, um zur Treppe zu gelangen. Der gesamte erste Stock beherbergte die Personalabteilung. Aus jeder Arbeitsnische drang das Klacken der Tastaturen, die versuchten, mit dem Tsunami an Bürokratie Schritt zu halten, der durch die lange Zeit der Quarantäne entstanden war. Ellie linste über das Meer aus beigen Trennwänden, um nach Bing Ausschau zu halten, ihrem Freund in der Abteilung für Reise und Export. Zuerst entdeckte sie ihn nicht, aber dann erblickte sie ihn, wie er mit seinem dürren Rücken zusammengesackt über seinem Schreibtisch lag und mit der Faust seitlich gegen sein Bein schlug. Er hing am Telefon, und es war offensichtlich, dass ihm gar nicht gefiel, was ihm gesagt wurde, um was auch immer es sich handeln
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