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Fluch der Engel: Roman (German Edition)

Fluch der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Fluch der Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Itterheim , Jessica Itterheim
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seinem einstigen Mentor zu rächen.
    »Wann hat sich deine Einstellung zu ihm geändert?«, bohrte Sanctifer weiter, während er die Nagelbetten meiner Finger abtastete.
    »Seitdem ich erkannt habe, dass nicht nur ein Engel in ihm steckt.«
    Sanctifer nickte und holte das Skalpell aus der Schachtel. Ich schloss die Augen, um mich nicht übergeben zu müssen, und wartete auf den Schmerz. Er kam nicht. Selbst als Sanctifer die Stränge entfernte, die meine – trotz Narkosesud – empfindsamen Klauen zurückhielten, spürte ich nur ein feines Ziehen. Sanctifer arbeitete sorgfältig und routiniert. Systematisch entfernte er die kaum sichtbaren Ringe an Zeige-, Ring- und kleinem Finger und danach die großen Silberringe, die das Geflecht zusammenhielten.
    Als die letzte Fessel fiel, fühlte ich mich jedoch nicht befreit, sondern völlig zerrissen. Einerseits sehnte ich mich nach der Anerkennung, die mir die Klauen verschaffen würden, andererseits wusste ich, dass es falsch war, mir das zu wünschen. Nach Macht zu streben war ein zweischneidiges Schwert. Sie schenkte Freiheit dem Sieger – und Untergang dem Verlierer.
    »Und? Willst du sie nicht ausprobieren?« Sanctifers Stimme klang ungerührt. Angst vor meinen Klauen zeigte er jedenfalls keine.
    Wollte er mich in Sicherheit wiegen, damit ich vergaß, welches Monster in mir steckte? Rechnete er damit, dass ich die Beherrschung verlor? – Vermutlich. Obwohl ich meine Klauen am liebsten irgendwo in Sanctifer gerammt hätte, blieb ich ruhig.
    »Zu wissen, dass ich sie jederzeit benutzen kann, reicht mir vollkommen.«
    »Wie du willst.« Sanctifers Augen gefroren zu eisigem Gletscherblau. »Der Weg in dein Zimmer dürfte dir bekannt sein«, antwortete er gestelzt, bevor er mich aus der Bibliothek schickte. Ich hatte seine Erwartungen enttäuscht. Der Versuchung, mein Dämonenerbe heraufzubeschwören und meine Klauen zu benutzen, widerstanden. Aron wäre stolz auf mich.
    Der Gedanke an Aron brachte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Mein Tutor hätte mir eine endlose Standpauke gehalten. Mir die Spangen zu entfernen hätte ihn alles andere als mit Stolz erfüllt.
    In der Sicherheit meines Schlafzimmers unterzog ich meineHände einer genauen Untersuchung. Die Spuren der Minischnitte, die nötig waren, um die Spangen zu entfernen, verblassten bereits. Die Wunden von Engeln heilten schneller als die von Menschen. Bis morgen wären sie kaum noch sichtbar – und übermorgen würden mich nur noch meine steifen Fingerkuppen daran erinnern, dass ich keine Menschenhände mehr besaß.
    Vorsichtig strich ich über die obersten Fingergelenke. Die Spangen hatten ein Durchbiegen verhindert. Eine kleine Bewegung, und die verborgenen Klauen würden hervorbrechen. Natürlich war die Versuchung riesig, sie mir anzusehen, zumal die Wirkung des Narkosemittels noch anhielt. Doch Arons Stimme riet mir, sie dort zu lassen, wo sie jetzt steckten. Christopher dagegen hatte mir erklärt, dass sie ein Teil von mir waren, zu dem ich mich bekennen sollte. Aber was sagte mein eigenes Gefühl? War ich wirklich schon so weit? Oder würde ich meine neue Macht missbrauchen, sobald mir einer von Sanctifers Gästen zu nahe kam?
    Das Bild des Engels, den ich in den Brunnen geschubst hatte, tauchte vor mir auf. Mein bis dahin so tapferer Magen rebellierte. Angewidert presste ich mir die Hände auf den Mund, damit ich mich nicht übergeben musste. Denn dieses Mal drückte ich ihn nicht unter Wasser, sondern schlitzte ihm mit meinen Klauen die Kehle auf.

Kapitel 19
Prinzessin
    M eine von den Silberringen befreiten Hände wurden zum Gesprächsthema Nummer eins. Die lästigen Streicheleinheiten blieben aus, an ihrer Stelle verfolgten mich wachsame Blicke. Und obwohl sich mein Gewissen ein wenig dagegen sträubte, genoss ich die Verunsicherung.
    Außer Sanctifer war Raffael der Einzige seiner Dauergäste , der nicht ständig auf meine Finger starrte. Er wusste, dass meine Augen wesentlich mehr über meinen Gemütszustand verrieten als hervortretende Monsterkrallen. Dass ausgerechnet er mich auf meine Klauen ansprach, überraschte mich deshalb umso mehr.
    »Hast du sie schon ausprobiert?«, fragte er mit einem Blick auf meine Hände, während einer unserer gemeinsamen Stunden in der Bibliothek.
    »Hat Sanctifer dich beauftragt, das herauszufinden?«, fragte ich ruhig.
    »Wie kommst du darauf ?«
    »Denkst du wirklich, dass ich so naiv bin? Oder spielst du deine Rolle nur so gut, weil deine Furcht vor ihm

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