Fluch der Engel: Roman (German Edition)
Also hielt ich mich an die Wahrheit und formulierte sie nur ein wenig zurecht, in der Hoffnung, dass der Befehl eines Ratsmitglieds auch bei Racheengeln Wirkung zeigte.
»Philippe«, ich deutete auf den Beichtstuhl in meinem Rücken, »ist … war ein Freund von mir. Und offenbar hat das Mitglied desRats, das ihn zu sich geholt hat, noch einiges mit ihm vor. Deshalb wollte er sicherstellen, dass er unbehelligt nach Hause gebracht wird.« Das Unbehelligt betonte ich vorsichtshalber, um klarzustellen, dass Philippe unversehrt in seiner Welt ankommen sollte.
»Dann dürfte es ja wohl kein Problem sein, mir sein Berechtigungsband zu zeigen.« Die Stimme des Racheengels war schneidend. Unerbittlichkeit spiegelte sich in ihr wider.
Als ich spürte, wie etwas Dunkles in ihm erwachte, wich ich so weit wie möglich zurück. Ohne Philippe im Schlepptau hätte ich jetzt das Weite gesucht.
Goldauge quittierte meine Furcht, indem er mich beiseitewischte, als wäre ich Luft, während er gleichzeitig Philippe aus dem Beichtstuhl zerrte.
Geblendet von funkelndem Goldlicht presste sich mein menschlicher Freund den Arm vors Gesicht. Vielleicht war es gut, dass er die überirdische Gestalt vor ihm nicht allzu deutlich sehen konnte. Sicher hätte er dann nicht nur leise aufgestöhnt, sondern panisch geschrien, da die Augen des Racheengels inzwischen glühten wie flüssiges Gold. Selbst mir, die ziemlich oft in wutfunkelnde Engelsaugen geblickt hatte, blieb die Luft weg. Christophers Iris erstarrte wenigstens zu kaltem Jadegrün, was irgendwie noch fassbar war. Aber lodernder Zorn geballt in glühendem Gold? Furchteinflößender konnte ein Racheengel nicht schauen – jedenfalls nicht, solange er ein Engel war. Dass er das bleiben würde, konnte ich nur hoffen.
Trotz Schock und Gänsehaut packte ich Goldauges Arm, um Philippe aus der eisernen Umklammerung zu befreien. Mein Eingreifen bescherte mir einen warnenden Blick und einen zweiten Schubser. Dieses Mal krachte ich gegen das Türgitter des Beichtstuhls. Noch beim Hochrappeln schnappte mich der Racheengel am Nacken, um mich auf Abstand zu halten.
»Warum so aggressiv, kleiner Engel , wenn dein Freund doch alles bei sich trägt, was er benötigt? Ein Universalarmband erhält nicht jeder.«
Auch ich entdeckte das Band an Philippes freigelegtem Oberarm. Drei verschieden geprägte Silbermünzen, zusammengehalten von einem ledernen Flechtwerk, blinkten mir entgegen.
»Wenn du mir versprichst, dich zu beruhigen, lasse ich dich jetzt los.« Die Aufforderung galt mir.
Ich nickte schnell, um der Pranke des Racheengels zu entkommen. Er schob eine kurze Warnung hinterher, indem er seine Finger noch ein wenig fester in meinen Nacken drückte, bevor er mich losließ.
»Dein Freund hat ganz schön viel Blut gelassen. Wohin wolltest du ihn bringen?«
»Ich? In …« Meine Gedanken überschlugen sich. Philippe litt unter Blutmangel? Warum? Was hatte Sanctifer ihm angetan? »Ist … ist er verletzt?« Hektisch flog mein Blick über Philippes zitternden Körper.
»Du scheinst noch nicht allzu viel über Engel zu wissen. Aron sollte dich nicht länger in Watte packen, wenn du hier bestehen willst«, bekam ich als Antwort zu hören.
Ich vergaß, meinem Gegenüber zu erklären, dass Aron ganz bestimmt nicht zimperlich mit mir umging, als der Racheengel Philippes entblößten Arm umdrehte. Ein roter Punkt reihte sich an den Nächsten. Einstichstellen. Sanctifer hatte Philippe regelrecht zur Ader gelassen. Kein Wunder, dass seine Haut so weiß wie Puderzucker schimmerte.
Vorsichtig, als könnte meine Berührung die Stellen zum Bluten bringen, strich ich sanft über Philippes Arm. Er zuckte nicht zurück. Aber vielleicht war er nur zu schwach dazu.
Goldauge verlor die Geduld, packte mein Handgelenk und zwang mich, ihn anzusehen.
Schließlich wiederholte er seine Frage, zu welchem Portal ich Philippe bringen wollte.
»Zu… zum Palazzo, wo die Prüflinge vom Schloss der Engel untergebracht sind«, stammelte ich noch immer entsetzt über Sanctifers Grausamkeit.
»Das ist zu weit. Es sei denn, deine Flugkünste haben sich in den vergangenen Tagen enorm verbessert. Oder ist es nicht wichtig, in welchem Zustand du ihn ablieferst?« Dass er damit meinte, egal ob tot oder lebendig, war klar. Goldauge war kein Schutzengel, der Menschen rettete, sondern ein Racheengel, der dazu geschaffen wurde, Engelleben zu verkürzen.
Ich schüttelte den Kopf, unfähig, ein halbwegs freundliches Nein
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