Fluch der Engel: Roman (German Edition)
sondern lederne Schwingen, die das Wasser in der Lagune zum Schäumen brachten. Ein Schwarm aalgrauer Körper hielt auf die Stadt der Engel zu. Sanctifer hatte seine dunklen Monster freigelassen – und sie kamen direkt auf uns zu.
Der Racheengel in mir reagierte mit atemberaubender Geschwindigkeit. Berauschende Engelsenergie pulsierte durch meine Adern. Alles in mir drängte, die Flügel auszubreiten, ein Schwert zu zücken und Sanctifers Bestien entgegenzustürmen. Doch das einzige Mal, wo ich es geschafft hatte, richtig zu fliegen, war an Christophers Seite. Und Christopher war im Moment der Allerletzte, den ich bitten sollte, sich mit mir in den Kampf zu stürzen.
Anstatt einer Waffe packte ich Paul, um wenigstens ihn in Sicherheit zu bringen.
Paul wand sich aus meinem Griff. »Was ist das?!«, fragte er starr vor Entsetzen.
»Sanctifers Armee. Komm mit in die Basilika. Ich muss Christopher und Nagual warnen.«
»Nur Nagual«, antwortete Christopher. Er schickte Paul in die Basilika, bevor er neben mich auf den Balkon trat. Seine Augen leuchteten in ungesund mattem Jadegrün. Auch dass sein Körper vor Anspannung brodelte, gefiel mir ganz und gar nicht.
Ebenso wie bei mir weckte die Nähe der dämonischen Wesen seine Engelseite – auch die dunkle. Allerdings war bei ihm die Erinnerung an seinen Schatten wesentlich intensiver, keine zehn Minuten alt und Christophers Widerstand noch nicht wieder hergestellt – sonst hätte er gefasster reagiert. In diesem fragilen Zustand gegen eine Armee dunkler Engel zu kämpfen, wäre Selbstmord an seiner Engelseele.
»Christopher, wir sollten lieber wieder in die Basilika …« Ich schluckte den Rest hinunter. Christophers jadegrüne Augen funkelten mich an, als wäre ich eine der Bösen.
»Danke, aber ich bin in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen«, knurrte er. Christopher war im Kampfmodus.
Angst überfiel mich. Er durfte nicht gegen Sanctifers Monster kämpfen. Nicht heute. Nicht, nachdem seine dämonische Seite ihn beinahe bezwungen hätte. Aber genauso gut wusste ich, dass ich ihn nicht aufhalten durfte. Christopher war ein Racheengel, geboren für den Kampf gegen das Böse. Ich spürte, wie sehr er brannte. Sein Hass auf Sanctifer war tausendmal stärker als meiner.
»Ich weiß, dass du mich nicht zu ihm lassen willst – doch ich bin der Einzige, der ihn aufhalten kann«, erklärte mir Christopher und hinderte mich mit einem atemberaubenden Kuss daran, ihm zu widersprechen. Als er seine wunderschönen Flügel ausbreitete, rebellierte auch mein innerer Engel. Ich wollte mit ihm fliegen – und konnte nicht!
Christopher zögerte. Er spürte, wie verloren ich mich fühlte.Seine Miene wurde weich, doch seine Augen flehten um Verständnis.
»Lynn, ich kann nicht tatenlos zusehen, wie er die Stadt der Engel zerstört und sich zum Dogen ernennt – denn dann würdest du in seine Hände fallen. Und das könnte ich mir niemals verzeihen.«
»Und was ist mit dir?« Meine Stimme zitterte. Es fiel mir unsagbar schwer, ihn nicht zu bitten, mich mitzunehmen. Doch ich wusste, dass meine Nähe ihn nur schwächen würde. Er war an mich gebunden. Meine Furcht, ihn zu verlieren, meine Wut auf Sanctifer und die Nähe zu seinen dämonischen Geschöpfen würde Christopher über die Kante treiben und zu einem unberechenbaren Monster machen.
Christopher spürte meine Angst und zog mich in seine Arme. Hüllte mich in seine wunderbaren Flügel und schenkte mir einen unendlich zärtlichen Kuss.
»Versprich mir, in der Basilika zu bleiben – damit ich weiß, dass du in Sicherheit bist, und ich dich finde, wenn ich zurückkomme«, beschwor er mich. Und ich, überwältigt von ihm, seinem Sommersturmduft und seiner Liebe, willigte ein.
Als Christopher sich über die Brüstung schwang, sog ich seinen Gewitterduft tief in mich auf, um wenigstens einen Teil von ihm festzuhalten – am liebsten hätte ich den ganzen Engel zurückgehalten. Doch dann hätte ich ihm auch gleich die Flügel stutzen und ihn in einen goldenen Käfig sperren können.
Kapitel 31
Sanctifers Armee
J e höher Christophers prächtige Schwingen ihn in den blauen Himmel emporhoben, umso heftiger begehrte der Engel in mir auf. Ich hatte bewiesen, dass ich ein Schwert führen konnte. Ich wollte an seiner Seite sein. Doch für dunkle Engel tödliche Flammen zu weben, wie Aron und sicher auch Christopher es konnten, das hatte ich noch nicht gelernt.
Zwischen wütend auf mich selbst, weil ich ein so unfähiger
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