Fluch der Engel: Roman (German Edition)
Rücken durch und nickte. Nagual wollte, dass ich gegen Engel kämpfte? Nicht gegen Sanctifers dunkle Bestien, die konnten die Basilika nicht betreten, sondern gegen Engel, die sich Sanctifer angeschlossen hatten. Engel, mit denen ich vielleicht an einem Tisch gesessen, mit denen ich mich unterhalten, gegessen und getrunken hatte. Engel, die sich vielleicht nur für Sanctifer entschieden hatten, weil die Dogin ihnen den Zutritt zur Menschenwelt verweigerte. Warum sie das getan hatte, wussteich nicht. Dass sie am liebsten auch Christopher und mich für immer getrennt hätte, allerdings schon.
Kurz nachdem Paul auf dem Balkon aufgetaucht war, formierten sich die fünf Racheengel. Sie bildeten den äußeren Kreis, während die zahlenmäßig überlegenen Engel der Dogin in der Mitte blieben – Christopher, geschützt von den Engeln der Dogin, wäre mir lieber gewesen. Dafür, dass dort draußen auf der Lagune gleich ein Kampf losbrechen würde, sah das runde Gebilde am blauen Sommerhimmel viel zu schön aus. Weißbeflügelte Engel innen, saphirblaue, silberne, grüne, diamantene und Christophers unglaubliche Flügel außen.
»Nagual hat mich gebeten, dir zu helfen«, riss Paul mich aus dem aufziehenden Albtraum über der Lagune. Er stand in seiner Gestalt als Engel neben mir und wartete darauf, mir beim Schwertweben zu helfen.
»Danke«, murmelte ich und schenkte ihm ein Lächeln, bevor ich mich selbst in einen Engel verwandelte.
»Übrigens, dass deine Flügel jetzt rot sind, finde ich faszinierend«, kommentierte Paul. »Es verleiht dir etwas Dämonisches.«
»Dann pass bloß auf, dass ich dich mit meinen dämonischen Flügeln nicht zum Frühstück verspeise.«
Paul schenkte mir ein verschwörerisches Grinsen. Normalerweise war er derjenige, der blöde Scherze zu unpassenden Gelegenheiten riss, und nicht ich.
»Noch kannst du ohne mich nicht mal ein Schwert weben«, schlug er zurück – wir waren beide nervös.
Meine Anspannung wuchs, als mein silberrot funkelndes Schwert erschien. Ich hielt eine Waffe in der Hand, aber war ich auch bereit, einen Engel zu töten? Bei Gabriella hatte ich letztendlich doch versagt.
Ich kam nicht dazu, meinen Zweifeln nachzuhängen. Der Kampf über der Lagune begann. In einem wahren Sturmhagel fielen blau glühende Feuerbälle auf die tosenden Wassermassen unter dem Kreis der Engel. Wie die Fontänen eines gigantischen Brunnenssprudelten Schaum und dunkler Qualm nach oben. Ich wandte mich ab, als mir klarwurde, was schwarzer Rauch bedeutete.
Was war ich bloß für ein Racheengel, dem sich der Magen umdrehte, wenn ein dämonisches Wesen sein Ende fand? Selbst Paul verkraftete das besser. Im Gegensatz zu mir verfolgte er das Geschehen über dem Meer, ohne mit der Wimper zu zucken. Erst als ich genauer hinsah, bemerkte ich, dass auch er mit sich kämpfte. Ich hoffte, dass die Soldaten der Dogin endlich auftauchten oder Coelestins Krieger schnell genug flogen, um Sanctifers dunkle Engel aufzuhalten, bevor sie die Basilika erreichten – uns erreichten.
Ich suchte die Sturmwolke am westlichen Horizont. Meine Zuversicht verblasste. Sie war ein gutes Stück vorangekommen, so dass ich jetzt einzelne Engel erkennen konnte – aber sie waren noch immer viel zu weit weg. Denn trotz des Feuerbeschusses von oben rückte die Front der dunklen Engel unerbittlich näher.
Mein Blick heftete sich wieder auf Christopher. Er wirkte konzentriert, doch Sanctifers dämonische Wesen schwächten ihn. An der Art, wie er agierte, erkannte ich, wie stark er noch unter den Folgen seiner Verwandlung litt. Im Gegensatz zu den anderen Engeln feuerte er keine Salven hinab, sondern schleuderte seine Feuerbälle sparsam und gezielt. Auch der Farbschimmer seiner Geschosse unterschied sich von dem der anderen. Sie schillerten dunkler – vermutlich weil in Christophers Feuerkugeln weniger Engelsmagie steckte. Hoffentlich hielt er durch, bis Coelestin eintraf. Auf seinen einstigen Tutor würde er hören. Und dass Christopher besser neben Nagual auf dem Dach der Basilika gegen Engel anstatt über der Lagune gegen Dämonen kämpfen sollte, erkannte selbst ich.
Ich umklammerte mein Schwert so fest, bis meine Klauen hervordrängen wollten, um hinter dem Schmerz meine Gefühle zu verbergen. Meine Angst würde Christopher nicht helfen.
Mich auf etwas anderes als auf die Lagune zu konzentrieren, schaffte ich dennoch nicht. Irgendwo dort draußen musste Sanctifer sein, um seiner Armee Befehle zu erteilen. Gabriella
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