Fluch der Engel: Roman (German Edition)
wäre – den Rest zog es zum Kai, am Ende der Piazzetta.
Aron, Coelestin und seine Krieger hatten eine breite Schneise in den Kreis um Sanctifer geschlagen, damit sie Christopher und Daragh besser schützen konnten. Nur ein Speerwurf trennte ihn noch von mir – für mich eine halbe Ewigkeit. Und während ich kein Auge von Christopher und dem Kampf über der Lagune lassen konnte, drängten Paul und ein paar Soldaten der Dogin neben mir Sanctifers Monster zurück.
Christopher kämpfte, als gäbe es kein Morgen mehr. Unbeirrt wehrte er Sanctifers Feuerbeschuss ab, wagte einen überraschenden Vorstoß und versuchte, einen Treffer in dessen grausamem Herzen zu landen, ehe er sich wieder zurückzog, um der Klinge und dem tödlichen Feuer seines einstigen Lehrmeisters zu entkommen.
Doch nicht alle Kämpfer entgingen dem Schwert ihres Gegners. Viel zu oft stürzte ein Engel ins Wasser und verschwand in der dunkel aufschäumenden Flut. Ob er zu Sanctifer oder zu Coelestins Kriegern gehörte, war den dämonischen Kreaturen egal. Sie vernichteten alles, was eine Seele besaß.
In dem Moment, als Christopher einen erneuten Vorstoß gegen Sanctifer wagte, durchbrach einer von Sanctifers Engeln die Verteidigungslinie, mit der Coelestins Krieger ihn schützten. Mein »Nein!« verhallte ungehört im Getöse der Schlacht – nur meine Angst erreichte Christopher.
Alles in mir kam zum Stillstand, als er wie ein Stein in die Tiefestürzte – und geriet wieder in Bewegung, als Christopher in einer spektakulären Drehung seine Flügel ausbreitete, nach oben stieß und mit einem mächtigen Hieb die Schwingen seines Angreifers durchtrennte.
Noch während der Engel ins Meer stürzte, fanden mich Christophers Augen. Zorn, Hass, Liebe, Wut, Angst. Alles auf einmal spiegelte sich in ihnen wieder, kurz bevor sich Christopher erneut in den Kampf und auf Sanctifer stürzte.
Ich hielt den Atem an. Christophers Schwert blitzte auf. Ein Leuchten erfasste Sanctifers Gesicht wie ein aus Himmelslichtern gewobener Heiligenschein, doch er blieb unverletzt – und revanchierte sich. Ein wahres Flammenmeer blauen Feuers regnete auf Christopher herab. Seine Kleider entflammten. Seine Flügel verblassten. Mein Herz erstarb, als eine Stichflamme, heller als Sanctifers Feuerbälle, in den Himmel loderte. Eines von Sanctifers Geschossen hatte Christophers Schwert getroffen.
Doch anstatt zu erlöschen, schossen Tausende von Himmelslichtern aus der funkelnden Klinge. Auf ihrem Flug verfärbte sich der Himmelsregen, hüllte Sanctifer in tödliches Blau und verzehrte seine Schwingen in rasender Geschwindigkeit. Und noch bevor ihn das tosende Meer dunkler Engel verschlang, zerstörte Christopher Sanctifers boshaftes Herz.
Jubel erfüllte die Lagune. Auch ich atmete wieder. Sanctifer war besiegt. Sein Tod endgültig.
Die Engel, die ihn beschützt hatten, ergaben sich noch in derselben Minute Coelestins Kriegern. Nur seine dunklen Kreaturen kämpften unbeirrt weiter – und ich wusste auch, warum.
Einfach in den Glockenturm zu stürmen und Raffael zu bitten, Sanctifers Geschöpfe zurückzupfeifen, war ein blöder Plan, aber auch mein einziger. Ich hatte gesehen, wie er eine Bindung mit einem dunklen Engel eingegangen war – und offensichtlich nicht nur mit einem. Vermutlich steuerte er Sanctifers Bestien. Was ihn dann zu einem genauso üblen Monster machte wie Sanctifer – doch das wollte ich nie und nimmer glauben!
Ich hatte noch keine drei Schritte getan, als Paul mich überholte.
»Wo willst du hin?!«
»Sanctifers Sohn einen Überraschungsbesuch abstatten.«
Paul zog eine seiner dunkelblonden Augenbrauen nach oben, fragte aber nicht weiter nach. Stattdessen half er mir, an Sanctifers blutrünstigen Monstern vorbeizukommen und unbeschadet den Campanile zu erreichen.
Es dauerte eine Weile, die vielen Stufen nach oben zu rennen, aber es war die einzige Möglichkeit für einen Überraschungsangriff. Wer rechnete schon damit, dass Engel die Treppe nahmen?
Mein Plan ging auf. Paul hatte bereits zwei von Raffaels Bewachern überwältigt, bevor ihnen überhaupt klarwurde, dass sie angegriffen wurden. Ich kam gar nicht dazu, meinen Gegner zu entwaffnen – oder entwaffnet zu werden. Raffael war schneller. Ein Wort von ihm genügte, und die restlichen Engel, fünf Männer und vier Frauen, ergaben sich freiwillig.
Nicht nur mir fiel beinahe das Schwert aus der Hand. Auch Paul traute der Sache nicht. Erst als ich Raffaels Blick begegnete, kippten meine
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