Fluch der Engel: Roman (German Edition)
fragen.
»Ich möchte lieber mit als ohne deine Zustimmung Naguals Befehl ignorieren«, begann ich.
»Und dich abschlachten lassen?! Hast du vergessen, dass du mit einem Schwert keines dieser Wesen töten kannst?« Aron war stocksauer. »Nagual scheint dich zu mögen, sonst hätte er dich genau dorthin geschickt, wo es dich hinzieht. Trotz allem, was du erlebt hast, bist du noch zu jung, um gegen so viel Dunkelheit zu bestehen. Dein Wunsch, mächtig zu werden, würde dich in deine Schattengestalt treiben – und da Christopher an dich gebunden ist, ihn gleich mit!«
Ich erblasste. Damit hatte ich nicht gerechnet.
»Nagual hat mir erzählt, was in der Krypta passiert ist. Christophers Risiko ist auch so schon hoch genug, ohne dass …«
Der angstverzerrte Todesschrei eines Engels ließ Aron verstummen – mir sträubten sich die Nackenhaare. Beinahe gleichzeitig lehnten wir über dem Geländer, um auf den Platz vor dem Dogenpalast hinunterzusehen. Schwarzgekleidete Gestalten mit blutroten Masken, wie die Dogin eine bei Gericht getragen hatte, traten aus den Schatten der Säulen, um sich Sanctifers dunklen Engeln zu stellen. Über dem ersten schlugen gerade tödliche Flammen zusammen.
»Die Schergen der Dogin«, klärte Aron mich auf.
Ich nickte und wandte mich ab. Der üble Gestank der brennenden Kreatur, aber vor allem ihr markerschütterndes Geheul setzte mir zu. Auch sie hatte einst eine Engelseele besessen.
Mein Blick huschte über die Lagune und eilte zu Christopher. Mein Herz versteinerte – ich wusste genau, wohin er wollte. Die Gruppe der Racheengel hatte sich aufgeteilt. Mit Berejide an der Spitze folgten Magdalena, Liao und die Engel der Dogin Sanctifers Vorhut Richtung Dogenpalast, während Christopher und Daragh auf die Insel zusteuerten.
Das Meer unter den beiden Engeln färbte sich schwarz. Sanctifers Geschöpfe waren überall. Wo hatte er bloß die vielen dunklen Engel versteckt? Wie eine zähe Masse überschwemmten sie die Lagune. Die aufschäumenden Lücken, die Christophers und Daraghs Engelsfeuer auf ihrem Weg zu Sanctifers Insel rissen, schlossen sich so schnell, wie sie entstanden. Immerhin gelang es den Soldaten der Dogin gemeinsam mit der Kampftruppe um Berejide, die Monster aufzuhalten, die versuchten, an der Kaimauer aus dem Wasser zu klettern.
Doch Sanctifers Geschöpfe krochen nicht nur vor dem Dogenpalast an Land. Ein Teil von ihnen drängte in den Canal Grande. Bald würden sie die kleinen, sich verästelnden Kanäle überfluten und die Stadt der Engel mit ihrem Gestank überziehen wie einst die schwarze Pest das Menschenvenedig.
Aron legte mir eine Hand auf die Schulter, um mich aus meiner Schockstarre zu befreien. Mit der anderen deutete er auf ein Heer schwarz gekleideter Engel mit roten Masken, die auf den Dächern des Dogenpalastes standen. Alle mit Schwertern ausgerüstet, aber auch viele, in deren Händen blaue Engelsmagie schimmerte.
Aber nicht nur hier, überall erschienen plötzlich Engel. Wie auf ein geheimes Zeichen hin strömten die Einwohner Venedigs auf die Straßen, Plätze und Dächer, um ihre Stadt zu verteidigen. Engel, Putten, selbst gezähmte Irrlichter entdeckte ich. Sie trugen Messer, Schwerter oder Lanzen mit sich – doch damit würden sie das schwarze Herz eines dunklen Engels niemals vernichten.
»Du solltest zu Paul gehen. Die Engel erheben sich – nicht nur die der Dogin.« Arons ruhiger Tonfall erschreckte mich. Er klang besorgt, aber nicht überrascht. Doch erst als ich auf einem der Dächerzwei kämpfende Engel entdeckte und einen Flügel fallen sah, wurde mir klar, was Aron meinte.
Nicht alle Bewohner der Engelstadt logierten in Palästen oder wurden zu den Bällen der Dogin eingeladen. Etliche lebten in den heruntergekommenen Vierteln, in die ich mich bei meiner Engelsprüfung verirrt hatte. Anscheinend hatte Sanctifer damit gerechnet, dass sie mit ihm gegen die privilegierten Engel Venedigs kämpfen würden – oder gezielt darauf hingearbeitet, was einem Blender wie ihm sicher nicht schwerfiel.
Als einer der auf dem Dach kämpfenden Engel sein Leben verlor, brach in den Gassen Venedigs die Hölle los.
Aron zerrte mich von der Kuppel – die hasserfüllten Schreie und das diabolische Gebrüll hörte ich dennoch. Er brachte mich durch das Kirchengestühl hinunter zu Paul. Anscheinend wollte er sicherstellen, dass ich auch dort ankam.
Paul stand an der Brüstung. Wie gebannt starrte er auf die Lagune. Ich folgte seinem Blick – und
Weitere Kostenlose Bücher