Fluch der Leidenschaft
wiederzugewinnen?«
Nun lächelte er. »Natürlich, Lady Imogen. Ich bereite schon alles vor, und morgen reiten wir los. Ihr werdet uns natürlich begleiten wollen.«
Es klang wie eine Herausforderung, doch Imogen brachte ein Lächeln zustande. »Ich werde darauf bestehen, Mylord.«
Er nickte ihr zu und verschwand.
Tapfere Worte machten jedoch noch kein tapferes Herz. Endlich einen Augenblick allein, ließ sich Imogen ganz auf den Boden zurücksinken. Sie war versucht, den Tränen nachzugeben. Ihr Vater war tot. Ihr Zuhause war geplündert und war einem grausamen Feind in die Hände gefallen. Ihre Zofe war entsetzlich misshandelt, vielleicht sogar getötet worden. Sie wusste nicht, was ihrer geliebten Tante widerfahren war. Und sie musste sich allein diesem kalten, unberechenbaren Fremden stellen.
Sie drängte die Tränen und das Gefühl der Schwäche, das diese hervorrief, zurück. Sie war die Tochter Bernards von Carrisford, und sie würde sich ihres Vaters würdig erweisen.
Ihre Gedanken wanderten zu FitzRoger, dem Bastard. Imogen hatte mit solchen Männern keine Erfahrung; unter der schützenden Hand ihres Vaters hatte kein Mann es je gewagt, ihr anders als höflich zu begegnen.
Wie sollte sie eine solch dunkle, unergründliche Macht einschätzen?
Wie konnte sie zum Beispiel sicher sein, dass dieser Mann Carrisford Castle, wenn er es zurückerobert hatte, auch wieder an sie übergeben würde? Natürlich würde sich der König um ihre Angelegenheiten kümmern, sobald er von ihrer Situation Kenntnis erhielt; doch bis dahin konnte FitzRoger ihr längst sämtliche Vorräte geraubt und in der Burg große Schäden angerichtet haben. Falls Warbrick, dachte sie dann düster, überhaupt noch irgendetwas von Wert übrig gelassen hatte.
Sorge bereitete ihr auch, dass FitzRoger den Ruf genoss, im Ansehen des Königs sehr hoch zu stehen. Wenn er sie bestahl, würde Henry Beauclerk dann dem Gesetz Geltung verschaffen und sie entschädigen? Mit Bernard von Carrisford hätte er sich sicher nicht überworfen, aber würde er auch dessen Tochter große Aufmerksamkeit schenken?
Zu all dem kam natürlich auch noch hinzu, dass der König jetzt einen Gemahl für sie auswählen würde. Gütige Jungfrau Maria, war eine junge, unerfahrene, unverheiratete Frau jemals von derartigen Problemen bedrängt gewesen?
Unwillkürlich fragte sich Imogen, wann FitzRoger auf den Gedanken kommen würde, um sie zu werben. Sie hatte nichts davon gehört, dass er verlobt oder verheiratet sei; demnach würde er sie kaum als etwas anderes betrachten als eine reife Frucht, die es lediglich zu pflücken galt. Einen solchen Mann zu ehelichen war jedoch nicht ihre Absicht, und insofern konnte sich ihre vorgetäuschte Schwangerschaft durchaus noch als nützlich erweisen.
Drei Frauen kamen mit einem Badezuber herein, den sie mit dicken Leinentüchern auspolsterten. Dieses Zeugnis vornehmen Lebens an solch einem rauen Ort war Imogen ein gewisser Trost. Die Frauen füllten den Zuber nach und nach mit warmem Wasser und gaben duftende Kräuter hinein. Eine legte zudem frische Kleidung zurecht, die Imogen nach dem Bad anziehen konnte.
Weil sie über und über schmutzig war, betrachteten die Frauen sie neugierig; ansonsten aber verhielten sie sich sehr respektvoll. Sie wären ihr auch beim Bad zur Hand gegangen, doch das konnte Imogen nicht zulassen. Stattdessen bat sie darum, allein gelassen zu werden, woraufhin die drei äußerst bereitwillig gingen. Imogen musste sich eingestehen, dass auch sie selbst sich nicht angefasst hätte, wenn es nicht hätte sein müssen.
Sobald sie allein war, legte sie die schmutzigen Lumpen, den falschen Bauch und die Sandalen ab und stieg mit einem Seufzer der Erleichterung in das Wasser. Ihre Füße schmerzten, doch die Reinigung würde ihnen guttun.
In dem heißen, dampfenden Bad zu liegen fühlte sich so gut an, dass sie hätte einschlafen können, doch die Frauen würden bald zurückkommen, und so begann Imogen, sich einzuseifen und gründlich zu säubern. Ihre Füße musste sie besonders sorgfältig behandeln. Sie waren in einem schlimmen Zustand – aufgedunsen und so voller Blasen und Risse, dass sie kaum wiederzuerkennen waren. Die Riemen der Sandalen hatten sie an vielen Stellen wund und blutig gerieben. Wie hatte sie so überhaupt laufen können? Und wie sollte sie nun laufen?
Sie versuchte sich mit dem Gedanken zu trösten, dass das Einweichen im Badewasser ihren Füßen guttun und schon bald alles verheilt
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