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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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ihre Rockschöße glatt, richteten ihre Hüte  – aber alles, ohne die Aufmerksamkeit der deutlich übernächtigten jungen Damen zu gewinnen. Eine von ihnen gähnte praktisch ununterbrochen, hielt dabei aber immerhin einen Fächer vor ihr Gesicht.
     
    Pier Nummer sieben war menschenleer, bis auf einen schlanken Farbigen, der, den Strohhut auf sein Gesicht gelegt und die Hände über dem Bauch gefaltet, an einem Baumwollballen lehnte und im Sitzen schlief. John, immer noch in den furchtbaren, unpraktischen Frauenkleidern steckend und seelisch nicht wenig durch den ungewohnten Luftzug an seinen nackten Beinen angegriffen, sah sich suchend um und fragte sich, was er eigentlich tun würde, wenn er niemanden fand.
    Ratlos ging er auf dem Pier auf und ab, zweimal, dreimal. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ihn ein früher Heizer oder später Flößer mit eindeutigen Absichten ansprechen würde, sagte er sich grimmig, aber auch ein wenig erheitert. Er malte sich das überraschte Gesicht des glücklosen Freiers in immer grelleren Farben aus und lachte jetzt einige Male leise, wenn auch mehr vor Verzweiflung.
     
    Deborah beobachtete die Hure durch die Löcher in ihrem Hut. Was wollte diese Idiotin nur hier, um diese Zeit? Selbst wenn Männer hier wären, würden sie jetzt wohl auf dem Weg zur Arbeit sein und nicht mit einem heruntergekommenen Mädchen gehen, das … das sich so eigenartig bewegte. Sie wiegte ihre Hüften nicht und hatte weder vorn noch hinten viel von dem zu bieten, was Deborah an den wenigen käuflichen Damen, die sie in ihrem Leben gesehen hatte, beinahe widerwillig als besonders auffällig registriert hatte.
    Obwohl sie sich dabei vor sich selbst genierte, war ihr nächster Blick auf die hin und her gehende Hure hauptsächlich von weiblicher Neugier geprägt. Deborah wusste aus einigen anzüglichen Gesprächen in den Sklavenhütten ihrer Jugend, dass weiße Frauen von der Natur oft weniger reich bedacht worden waren als schwarze. Aber, meine Güte, diese Frau hatte ja anscheinend überhaupt keinen Hintern!
    Sie grinste ein wenig unter ihrem Hut, besann sich aber schnell wieder auf ihre wichtige, verzweifelte Aufgabe: Sie musste den alten Mann treffen oder aber den Boten identifizieren, den er ihr schicken würde. Dann sah sie für einen Augenblick die Hände der Hure und begann zu zittern. War das möglich? Durfte sie das riskieren?
    John glaubte zuerst, dass seine Ohren ihm einen Streich spielten, als er das Pfeifen hörte. Er sah sich um, aber da war niemand außer dem schlafenden Neger auf der anderen Seite des Piers. Erst beim zweiten Mal fiel ihm auf, dass eine kurze Melodie gepfiffen wurde, und erst beim dritten Mal erkannte er »Go down, Moses«. Aber es dauerte auch danach noch eine knappe Minute, bis ihm die Worte zu dieser Melodie einfielen beziehungsweise bis er in Gedanken die Verbindung zu den Versen herstellte, die er auswendig gelernt hatte.
    Noch einmal sah er sich um, noch immer war niemand da. Entweder würde er sich jetzt völlig lächerlich machen oder sein Ziel erreichen. Kurz entschlossen ging er auf den schlafenden Neger zu, blieb kurz vor ihm stehen und sagte fast wütend laut: »So geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk aus Ägypten führst!«
    All seine Verwirrung in dieser Nacht, an diesem Morgen war nichts gegen die Überraschung, die jetzt die leise, aber deutliche Antwort  – einer Frauenstimme in ihm auslöste.
    »Deborah aber sprach zu Barak: Auf! Das ist der Tag, an dem der Herr den Sisera in deine Hand gegeben hat.« Die junge Frau stand auf und schob den Hut aus einem klugen, misstrauischen, erschöpften, aber nicht ängstlichen Gesicht.
    »Wer sind Sie?«, fragte sie streng.
    »Mein Name ist John Gowers. Ich bin der Lotse der Deep South «, sagte John, dem in seiner Frauenkleidung nun immer unbehaglicher wurde. »John Lafflin schickt mich. Ich soll Sie zum Schiff bringen.«
    »Und meine Leute?«
    Die Bestimmtheit ihrer Fragen verwirrte ihn. Er hatte erwartet, ein eingeschüchtertes Wesen zu treffen, das dankbar dafür wäre, wenn es gerettet würde, und fand einen weiblichen General vor, der ihn offenbar als eine Art subalternen Melder betrachtete.
    »Zuerst müssen wir zum Schiff. Dann holen wir Ihre Leute.« John ärgerte sich ein wenig darüber, dass sie sich noch immer nicht in Bewegung setzte, denn es wurde nun immer heller.
    »Ich habe ein Problem«, sagte Deborah. »Einer meiner Männer wurde geschnappt.«
    »Ich habe auch ein

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