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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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Sache ehrlicher Polizisten, sondern gerissener Anwälte. Lediglich John Lafflin alias Jean Laffitte konnte man ohne weitere Umschweife ins polizeiliche Gewahrsam abführen.
    »Kann ich etwas für Sie tun, Sir?«, fragte Gowers, aber Lafflin schüttelte heftig den Kopf.
    »Ich komme schon klar, Mr. Gowers. Kümmern Sie sich um Wichtigeres, und frischen Sie vorher Ihre Bibelkenntnisse auf!«
    Auch dagegen war polizeilicherseits wenig einzuwenden. Ein Problem war lediglich, dass Gowers keine Bibel hatte. Als John Lafflin abgeführt worden war, sprach der junge Mann deswegen bei Maggie vor, und deren sofortiges Nachfragen bei ihren Mädchen löste eine höchst eigenwillige Suchaktion nach dem Buch der Bücher aus. Denn obwohl keine der hartgesottenen Huren zugeben wollte, eine Bibel zu besitzen, klopften bis weit nach Mitternacht immer wieder einzelne Mädchen an Gowers’ Tür, um ihm verschämt und unter dem Siegel der Verschwiegenheit ihre ganz persönlichen Ausgaben der Heiligen Schrift zur Verfügung zu stellen. Sonntagsschulausgaben, in denen noch Fleißkärtchen und Heiligenbilder lagen, gepresste Blumen oder kleine, kindliche Liebesbriefe, Familien-, Volks- und sogar eine Mormonenbibel.
    Gowers hätte ein Bibelseminar eröffnen können, las aber immer nur wieder den Vers: »So geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk aus Ägypten führst.« Auch Richter 4, 14 ff. prägte er rasch seinem Gedächtnis ein. Aber als er spät in der Nacht aus dem Fenster sah, dass einige elegant gekleidete junge Männer das Haus aufmerksam beobachteten, wurde ihm klar, dass das Problem mit den Hunden und dem Hasen noch nicht gelöst war.

71.
    Die See, der Anblick des endlosen leeren Horizonts und das Rollen der Wogen unter seinen Füßen, übte einen eigenartigen, beruhigenden Einfluss auf ihn aus. Es war nur zum Teil das Gefühl, nach Hause zu kommen, bei sich zu sein, obwohl ihm die See, gleich an welcher Stelle der Welt, stärker Heimat war als jeder andere Ort, den er gesehen hatte.
    Es war auch nicht nur die Tatsache, dass er auf See jeden Kurs steuern und halten konnte, ohne sich um Straßen, Wege, Pfade und die Spuren der Menschen auf ihnen kümmern zu müssen. Auf See gab es keine traditionsreichen Landschaften, Grenzen, Reiche, Ruinen, und niemand war je so verrückt gewesen, zu behaupten, dass ihm diese oder jene Woge gehöre. Die See war, wie sie schon vor Jahrmillionen gewesen war, und wenn sein Schiff in diesem Augenblick sinken würde, wäre im nächsten nur noch ein wenig Treibgut zu sehen, das das nächste Wetter zerblasen würde. Die See duldete keine Spuren, sie erschuf sich immer neu.
    Was er aber von jeher am stärksten empfand, war das beruhigende Wissen, dass er auf See nicht mehr tun konnte, als er tun konnte. Abgesehen von ein paar ziemlich klar umrissenen Tätigkeiten, die allerdings rund um die Uhr ausgeübt werden mussten, gab es an Bord eines Schiffes nur die Arbeit, die man sich selbst machte. Natürlich erhöht regelmäßiges Säubern, Pflegen, Imprägnieren mit Teer und Fett die Funktionsfähigkeit eines seegehenden Fahrzeugs  – aber das tägliche Aufklaren und Deckschrubben diente doch im Wesentlichen nur einem einzigen Zweck: der Beschäftigung ansonsten tätigkeitsloser Männer. Hatte man das einmal durchschaut und akzeptiert, war ein tiefer, beruhigender Fatalismus die natürliche Folge.
    An Land brauchte man für nahezu jeden Schritt einen Plan und war dann ständig in all die Rücksichten, Bedenken und Ängste verstrickt, die Pläne und Planen mit sich bringen. Die
See verlangte keine Pläne, nur Handeln, und kannte deshalb auch nicht die quälende Frage: Habe ich alles richtig gemacht? Fehler rächten sich auf See sofort oder gar nicht, und kein vor den Orkneys ertrinkender Matrose musste sich sagen: Ach, hätte ich doch auf der Doggerbank ein Segel mehr gesetzt, dann würde ich jetzt nicht ersaufen!
    Nach einer eher ruhigen Woche, in der sie gegen den Ostwind kreuzten, begann es aus Südwesten, von der Tasmanschwelle her, mächtig zu blasen. Selbst von Tempsky, der doch den Atlantik und Pazifik überquert hatte, wurde angesichts der Wellengebirge, die der Wind auftürmte und die die kleine Bark vorwärtsschoben, ein wenig weiß um die Nase.
    »Klempner und Seeleute dürfen nicht allzu viel Fantasie haben«, sagte er zu dem ungerührten Joseph B. Williams, als eines der schwarzgrünen Monster unter ihnen durchgelaufen war, sie mit Mann und Maus vierzig Fuß hochgehoben

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