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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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Tag, ein Vagabund auf Erden!
    Von Tempsky lächelte unwillkürlich und fragte sich, ob diese biblische Einlassung einem Kriegsgericht bereits Beweis genug für eine geplante Desertion wäre. Am nächsten Morgen hatte Joseph B. Williams jedenfalls einen unbef risteten Urlaubsschein und sein Vorgesetzter die Stammrolle von McDonnells Einheit auf dem Tisch. Hätte er aber gewusst, dass der Amerikaner derart früh auftauchen würde, hätte von Tempsky wohl doch eine zivilere Uhrzeit als Urlaubsbeginn festgesetzt. Die Morgendämmerung hatte noch nicht einmal begonnen, als es an der Tür klopfte.
    Takioras Wohnung bestand leider nur aus einem einzigen Zimmer, und als das Klopfen nicht aufhörte, konnte Manu-Rau wenig mehr tun, als ihren nackten Körper mit einem Nachthemd, so gut es ging, zu bedecken, ehe er, lediglich mit einer Hose bekleidet und mit einem Messer in ihrem Bund, öffnete.
    »Reißen Sie den Leuten immer gleich den Arm ab, wenn sie Ihnen den kleinen Finger hinhalten?!«, knurrte er ungehalten, als er den Investigator erkannte.
    »Nur, wenn ich den Arm dringend brauche«, entgegnete Gowers und übersah angesichts des nackten Rückens und der langen schwarzen Haare der auf dem Bett liegenden Frau den Zorn seines Vorgesetzten. Er wusste nichts von Takiora, von Tempsky hatte sie nie erwähnt, und so hielt er sie für irgendein bezahltes Offiziersliebchen. »Können wir unter vier Augen reden?«, fragte er.
    »Meine Augen sind zu«, sagte Takiora verschlafen, musste aber dann über ihren eigenen Witz kichern. Von Tempsky lachte laut, vor allem über Gowers’ dummes Gesicht.
    »Es ist in Ordnung«, sagte er und reichte dem Investigator die Liste der in Melbourne auf McDonnells Schiff eingeschriebenen Freiwilligen. »Tut mir leid, kein James Fagan!«
    »Hatten Sie etwas anderes erwartet?!« Es war nun an Gowers, sich zu ärgern. Trotzdem ging er die Namen durch. »Haben Sie eine Idee, wie ich die Männer sehen kann? Könnte ich etwa ein Arzt sein, der …«
    »Wen suchen Sie denn?«, unterbrach ihn Takiora, drehte sich zu den Männern um und bedeckte dabei mit dem linken Arm ihre Brüste.
    Gowers runzelte konsterniert die Stirn. Wusste er, wen er suchte? Er hatte James Fagan nie wirklich gesehen, kannte nur sein ungefähres Alter und ging davon aus, dass er die Spuren von Mairie Maguires Fingernägeln noch im Gesicht trug. Sein Plan war gewesen, Fagans Messer auf den Tisch zu legen und sich die vierhundert Männer einzeln vorzunehmen. Er war sicher, dass der Mörder sich dabei irgendwie verraten würde.
    »Darf ich vorstellen«, sagte von Tempsky und lächelte über Gowers’ Verwirrung, »Lucy Takiora, mein bester Scout. Sie können ihr vertrauen.« Takiora war in den letzten Wochen beinahe jeden Tag in der York-Stockade gewesen und hatte viele Männer gesehen.
    »Der Mann, den ich suche«, sagte Gowers und konzentrierte seine Aufmerksamkeit jetzt ganz auf die schöne, sehr hellhäutige Wahine, »ist etwa neunzehn Jahre alt und hat eine relativ frische Narbe im Gesicht. Seinen jetzigen Namen kenne ich nicht. In Melbourne hieß er James Fagan.«
    Die erfahrene Spionin ließ die Gesichter Revue passieren, die sie unter McDonnells Männern gesehen hatte. »Jamie«, sagte sie dann. »Es gab da einen Jungen, den alle Jamie nannten. Sehr jung. Eine Narbe von hier bis da!« Sie zog mit dem Finger eine Linie von ihrem linken Ohr bis zur Kinnspitze. Dann winkte sie dem Investigator, ihr die Liste zu reichen, und vergaß, ihre Brüste zu bedecken, während sie konzentriert die Namen durchging.
    Gowers’ Gedanken rasten. Hatte er sie beeinflusst, indem er den Namen James Fagan erwähnte? Andererseits änderten gesuchte Verbrecher selten ihre Vornamen, um sich nicht dadurch verdächtig zu machen, dass sie auf »Jim«, »Bill«, »Joe« und so weiter womöglich nicht sofort reagierten.
    »Bradley«, sagte Takiora, noch weit oben im Verzeichnis. »James Bradley!« Sie nickte und war sich ihrer Sache sicher.
    »Das war aber einfach«, murmelte John Gowers, verblüfft über diesen raschen Fahndungserfolg.
    »Ich fürchte nicht, Sir«, erwiderte Takiora. »Dieser Junge gehört zu der Gruppe, die vor etwa zwei Wochen mit dem Polen desertiert ist.«
    »Das wäre ja auch zu schön gewesen«, knurrte der Investigator.

102.
    Mehr als die Hälfte der Deserteure waren relativ schnell wieder eingefangen worden, aber eben das machte die Nachrichten über die anderen so widersprüchlich. McDonnell hatte sich die Männer einzeln

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