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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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Übersetzerin und Spionin, denn
sie hasste die aufständischen Maori. Vielleicht, weil ihre Mutter einst deren Sklavin gewesen war, und sicher, weil eine Gruppe rebellierender Krieger in den 1840er-Jahren Haus und Laden ihres Vaters, Stätte ihrer glücklichen Kindheit, niedergebrannt hatte. Wie weit ihr Hass reichte, zeigt der Spitzname, den die weißen Soldaten der hochgewachsenen, hübschen, vielleicht ein wenig strengen Maorirenegatin gaben: Bloody Mary.
    In den Kämpfen um die Provinz Taranaki lernte sie auch Manu-Rau kennen, der sie gemeinsam mit ihrem Mann Te Mahuki auf einigen seiner Gemälde abbildete. Wann sie seine Geliebte wurde, ist ungewiss; spätestens wohl, nachdem Te Mahuki Anfang 1866 im Kampf getötet wurde. Verhasst und verachtet von ihrem eigenen Volk und von den Pakeha zumindest misstrauisch beäugt und nie wirklich akzeptiert, blieb der intelligenten jungen Frau kaum etwas anderes übrig, als die Mätresse eines anerkannten und gefürchteten Pakeha-Führers zu werden. Aber es war noch etwas anderes in dieser Verbindung. Takiora liebte Manu-Rau, und Manu-Rau liebte Takiora  – oder zumindest die Verkörperung von Freiheit und Abenteuer, die sie für ihn darstellte.
    Seit von Tempsky außer Dienst gestellt worden und als braver Ehemann in den Norden gegangen war, lebte Takiora in »The Rookery«, einem übel beleumundeten Viertel von Wanganui, ehemals Siedlung der verheirateten Soldaten und ihrer Frauen, jetzt Heimat von Prostituierten, Trunkenbolden und Schlägern. Wie weit sie in die entsprechenden Kreise eintauchte, ist nicht bekannt. Sie war jedenfalls einer der wenigen Menschen, die sich ehrlich freuten, als der neue Krieg seine Schatten vorauswarf. Sie hatte gehofft, dass sie »Von« wiedersehen würde, und war enttäuscht gewesen, als bekannt wurde, dass er sich zusammen mit McDonnell zunächst von Auckland aus nach Australien aufgemacht hatte.
    Beinahe täglich wanderte Takiora nun nach Castlecliff, vier Meilen den Fluss hinunter bis zu seiner Mündung, und sah stundenlang auf das Meer hinaus,wo irgendwann Manu-Raus Segel
auftauchen würde. Aber wieder wurde sie enttäuscht. »Von« war nicht auf dem Schiff, das sich langsam zu den Piers von Taupo Quay hocharbeitete, während Takiora zur Freude der Besatzung am Ufer entlanglief und lachte, winkte und rief. Aber an Bord war nur »Fighting Mac«, der ihr nie recht getraut hatte und sich lieber auf seinen persönlichen Scout Wiremu Katene Tuwhakaruru verließ; den berühmten Alkibiades der Maori, der im letzten Krieg Titokowarus Leutnant gewesen war, ehe er McDonnells Vertrauter wurde  – und der bald noch ein letztes, entscheidendes Mal die Fronten wechseln würde.
    Niemand konnte Takiora sagen, wo »Von« blieb, aber einige der Männer, die sie am Ufer gesehen hatten, fühlten sich stark genug für einen Versuch mit ihr und ließen sich erst durch eine gegen ihre Münder, Schläfen, Unterleiber gerichtete Tupara , die doppelläufige Muskete, eines Besseren belehren. Es dauerte noch beinahe vier Wochen, ehe McDonnell, der ein schlechtes Gewissen haben mochte, weil er von Tempsky in Melbourne abgehängt hatte, Takiora darüber informierte, dass »Von« oben im Norden gelandet sei und sich über Land durch den Busch zu ihnen durchschlagen würde.
    Warten ist ein seltsamer Zustand, selbst wenn man weiß, worauf man wartet. Ist einmal ein Funken Hoffnung geschlagen, der einen sehnsüchtigen Wunsch erfüllbar erscheinen lässt und damit zu einer Erwartung macht, entzündet sich die gesamte Fantasie, und eine ganze Weile kann Warten das Herz erwärmen. Aber irgendwann, nach zu vielen Enttäuschungen, ist es nicht mehr die Hoffnung, nicht mehr die Fantasie, sondern das Herz selbst, das sich im Warten verzehrt. Starke Naturen fragen sich dann, ob sie überhaupt noch wollen, worauf sie warten. Feinere Gemüter verzweifeln an sich und ihren Wünschen, verkleinern sie bis zur Unkenntlichkeit und warten irgendwann nur noch, anstatt zu leben, ja vergessen sogar, worauf sie eigentlich warten.
    Takiora gehörte zur ersten Kategorie. Nach dreimonatigem Aufenthalt in den verschiedensten Luftschlössern fluchte sie in
dem Moment auf von Tempsky, als sie wusste, dass er wieder in Neuseeland, aber wieder nicht in Wanganui und bei ihr war. Sie erstickte ihre Erwartungen in den Armen einiger junger Soldaten, die nicht wussten, wie ihnen geschah  – denn ihre erfolglosen Kameraden hatten sie vor dem schönen wilden Weib und ihren locker sitzenden Waffen

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