Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
Sohn Königin Victorias, verübt und ihn dabei leicht verwundet. Im ganzen australesischen Raum befürchtete man einen Aufstand der irischen Einwanderer, und die Regierung in Wellington hatte McDonnells Kommando zeitweise nur noch aufrechterhalten, um einen solchen Aufstand gegebenenfalls wirkungsvoll eindämmen zu können. Aber auch die Iren Neuseelands verhielten sich unnatürlich ruhig, sodass es jetzt, Anfang Juni, beinahe aussah, als gäbe es für »Fighting Mac« in absehbarer Zeit nichts zu kämpfen.
Nein, er musste zumindest die Männer zusammenhalten, die er schon hatte, und das hieß: Er musste ein Exempel statuieren.
Die Deserteure deswegen gleich aufzuknüpfen wäre allerdings schwachsinnig gewesen und entbehrte, solange noch kein offener Krieg herrschte, auch jeder rechtlichen Grundlage. Sie monatelang einzusperren wäre ebenfalls kontraproduktiv und würde ihre ja weiterhin einen ungeliebten und harten Dienst ausübenden Kameraden nur auf dumme Gedanken hinsichtlich warmer und trockener Plätze bringen.
McDonnell beschloss deshalb, die Männer über Land zurück nach Wanganui zu bringen; mit schwerem Marschgepäck und unter seinem persönlichen Kommando, damit jeder sehen konnte, dass er sie eingefangen hatte. Die Tortur wäre also gleichzeitig eine Demonstration, mit der er jedem einzelnen Soldaten, der mit dem Gedanken an Desertion spielte, sozusagen ins Ohr flüstern konnte: »Es lohnt sich nicht!«
Und nur um die Deserteure dabei besonders lächerlich aussehen zu lassen, erteilte er ihnen als Erstes den Befehl, ihre Hosenböden herauszuschneiden; eine Sanktion, die in fast allen Armeen der Welt den Feiglingen vorbehalten war.
103.
Niemand bezweifelte, dass Desmond Bonneterre getan hatte, was er konnte, um das Leben seiner Mutter zu retten; vor allem, nachdem Gabriel Beale ausgesagt hatte, wie beherzt sich der junge Mann auf den Mörder gestürzt habe. Was Madame Bonneterre in den Stall geführt hatte, wurde überhaupt nicht gefragt. Zweifellos war es ihre bekannte Menschenliebe gewesen, die sie nachsehen ließ, ob es ihrem Nigger an nichts fehle.
Auch dass Bonneterre sich nur kurz, für vielleicht zwei Minuten, im hinteren Teil des Stalls aufgehalten habe, während der Nigger sich losgerissen und auf sein unglückliches Opfer geworfen haben musste, wurde ohne Weiteres akzeptiert. Warum er die Wache weggeschickt hatte, blieb die einzige unangenehme Frage, und die Antwort, er
habe dem übernächtigten Posten wenn schon keine Ablösung, dann doch Zeit für ein Frühstück gönnen wollen, solange er selbst ohnehin im Stall gewesen sei, gereichte dem jungen Mann zur Ehre.
Im Übrigen trug Desmond Bonneterre den Verlust mit großer Seelenstärke und ließ es sich nicht nehmen, bei der Herrichtung der Leiche für ihren Transport nach Baton Rouge persönlich Hand anzulegen. Den eigentlich dazu bestellten Frauen war es sogar ein wenig peinlich, wie sorgfältig und gründlich der junge Mann den Körper seiner Mutter säuberte, aber ihre Gemüter waren zu schlicht, um etwas anderes als übertriebene Sohnesliebe darin zu erkennen. General Willoughby hätte dem grausigen Geschehen vielleicht etwas eindringlicher nachgeforscht als der mit dieser Aufgabe betraute und bekannt gründliche Police Officer Duggan, wenn er nicht durch ein anderes Ereignis davon abgelenkt worden wäre.
Am frühen Abend kehrte die Vorhut seiner geschlagenen Armee zurück, und Henry Hunter erstattete Bericht über das sonderbare und desaströse Scheitern der eigentlich ganz einfachen Unternehmung. Nach und nach trafen auch die übrigen Männer ein, und General Willoughby konnte immerhin mit einer gewissen Befriedigung feststellen, dass seine Söhne unter den Letzten waren; Michael, ruhig, aber ratlos, Richard nervlich stark angegriffen.
Seine Aufregung war aber nichts gegen die Panik des jungen Owen Cheever, der kurzzeitig in Gefangenschaft geraten war und ärztlicher Behandlung bedurfte. Kein anderer als Lemuel Willard erwirkte die Erlaubnis, ihn mit einer Dosis Betäubungsmittel in einen erholsamen Schlaf zu schicken – der aufgrund eines Berechnungsfehlers des unbedarften Mediziners allerdings beinahe der ewige geworden wäre. Von beidem, dem Trauma und seiner Behandlung, sollte der junge Mann sich nie wieder richtig erholen.
Willard war es auch, der den Frühstückssalon des Hotels in ein behelfsmäßiges Lazarett verwandelte, obgleich für die wenigen wirklich Verwundeten ein Zimmer vollkommen ausgereicht hätte. In
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