Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
hatte. Ihr Gesicht, ihr Körper waren, sei es durch die Entbehrungen ihrer Gefangenschaft und des Marsches oder durch die Tatsache, dass ihr Großvater ein französischer Robbenfänger gewesen war, schmaler, drahtiger, europäischer als unter den Maori üblich. Das zu einem federgeschmückten Koukou oder Scheitelknoten hochgesteckte Haar erhöhte diesen Eindruck noch, und nur ihr weicher, großer Mund, der gern lachte, vertrieb die Anmutung von Härte und Strenge aus ihren Zügen.
Gowers hatte sie gern angesehen in den letzten beiden Wochen und sich dabei jedes Mal an die reizvolle Bewegung ihrer Hinterbacken in seinen Händen erinnert. Als sie nackt vor ihm stand, als er sie tatsächlich anfasste, als sie lächelte, seufzte, kam es ihm deshalb vor, als würden sie eine lediglich unterbrochene Handlung fortsetzen. Es war schön, einmal wieder mit einer Frau zu schlafen, die keine Hure war, und das tiefe Stöhnen, mit dem sie auch seinen Körper genoss, tat ihm gut.
Nachdem sie es zweimal getan hatten, lagen sie einige Minuten satt und selig nebeneinander, ehe sie ihm aus einer offenen Schale ein undefinierbares Getränk anbot. Gowers wollte nichts trinken. Seine Hände begannen stattdessen eine neue Wanderung über ihren Körper, als sie sich auf ihn hockte. Da nahm sie selbst einen tiefen Zug und beugte sich über ihn, ihre Brüste in seinen Händen. Ihre Lippen waren warm und feucht, und die seltsame Flüssigkeit tropfte von ihnen in seinen Mund. Er fand rasch Geschmack an beidem, dem Getränk und dem Spiel, und leckte schließlich den bittersüßen, ein wenig klebrigen Saft von ihrer Zunge, bis er, immer noch tief in ihrem Leib, von einer Sekunde zur anderen einschlief.
Te Kooti, von seiner jungen Frau herbeigerufen, betrat die Hütte und betrachtete den Amerikaner, dessen Glied auch in seinem totenähnlichen Schlaf nicht kleiner wurde. Dann befahl er den alten Mann zu sich, der ebenfalls draußen gewartet hatte, während Maata Te Owai ihre Kleider wieder anzog.
»Er will es?«, fragte der Alte zögernd, während er verschiedene Werkzeuge vor sich ausbreitete: klassische Tatauierkämme mit scharfen Perlmuttklingen, aber auch eiserne Nadeln unterschiedlicher Dicke, einen schmalen Holzschlegel und eine hölzerne Schale, die durch die in ihr immer wieder angesetzten Rußfarben tiefschwarz und hart wie Stein geworden war.
»Ja«, sagte der Prophet. »Er weiß es nur nicht.«
119.
Das seltsame Gefährt, das sich gegen eine träge, aber starke Strömung die vier Meilen breite Mündung des Atchafalaya River hinauf nach Norden kämpfte, sah eigentlich nur noch wie das Gerippe eines Raddampfers und nicht mehr wie der Dampfer selbst aus. Man hatte alle Türen und Wände der Aufbauten bis auf die tragenden Teile herausgerissen, und was übrig geblieben war, hatte nun Ähnlichkeit mit einem zweistöckigen Leiterwagen, der eine Dampfmaschine transportiert. Nur war es selbstverständlich ihre Maschine, welche die Deep South antrieb.
Die ästhetisch wenig ansprechende Selbstverstümmelung hatte ihren Zweck jedoch voll und ganz erfüllt: Der kräftige Seewind in der Atchafalaya Bay konnte sie nicht packen und beiseitedrücken, sondern wehte, wie Deborah es geplant hatte, gewissermaßen durch das Schiff hindurch. John spürte es an allen Bewegungen der Deep South beziehungsweise an der Übertragung dieser Bewegungen auf das Ruder in seinen Händen. Der kleine Dampfer bockte nicht, machte auch auf bisweilen beängstigend hohen Wellen keine Ausbruchsversuche, hielt seinen Kurs und ließ sich sogar leichter steuern als auf dem Mississip – pi, weil die Flut ihn in die richtige Richtung schob.
Wider Erwarten gut war man also durch das offene Wasser gekommen, und nur der Verbrauch an Brennstoff wurde allmählich zu einem Problem, denn natürlich brauchte John so viel wie möglich von der Kraft der Maschine, um leichter auf Wind und Wellen reagieren
zu können. Mr. Phineas hatte über die Maschinenglocke schon mehrfach angefragt, ob man den Dampf drosseln könne, war sogar einmal persönlich im Steuerhaus erschienen – aber der Lotse hielt es für sicherer, damit zu warten, bis der Fluss aufhörte, eine Meeresbucht zu sein.
Er kannte den Atchafalaya bis hinauf nach Morgan City, aber als sie gegen Mitternacht die Stelle erreichten, die er im Sinn hatte, mussten sie über ihr weiteres Vorgehen beraten. Der Brennstoff war für die Strecke St. Louis – New Orleans und zurück berechnet gewesen, großzügig berechnet
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