Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
Vom Netzwerk:
ins Steuerhaus und setzte die Kaffeekanne so heftig auf das Kartenpult, dass der Kaffee den unteren Mississippi glatt überschwemmte.
    »Gute Arbeit, Engländer«, knurrte er und stellte sich mit einem Gesicht, das dem ungewöhnlich wortreichen Lob diametral widersprach, neben den jungen Lotsen.
    »Danke«, sagte Gowers verwirrt und wachsam. Gringoire aber räusperte sich so ausgiebig, als stünde ihm das längste Gespräch seines Lebens bevor.
    »Haben Sie irgendwas getan, wofür Sie sich entschuldigen sollten?« , fragte er dann beinahe drohend.
    »Wie kommen Sie darauf?«, entgegnete Gowers.
    »Weil ich Ihnen den Kaffee bringe, komme ich darauf, Engländer!« Noch immer sah er so aus, als sei er willens, seinen Lotsen bei einer auch nur geringfügig falschen Antwort umstandslos zu verprügeln.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete der junge Mann wahrheitsgemäß, und nur um anzudeuten, dass er zurückschlagen würde, fügte er hinzu: »Ich weiß es nicht, alter Mann!«
    »Warum zum Teufel gehen Sie dann nicht runter zu ihr und finden es heraus?!«
    »Sie haben recht«, sagte John Gowers, überließ dem Piraten ohne weitere Worte das Steuer und ging hinunter, um Deborah zu suchen. Sein Mut reichte allerdings nur aus, um sie auch zu finden. Als er vor
ihr stand, als ihr reservierter, wütender, verletzter Blick seine Entschlossenheit erst gefrieren ließ und dann in tausend eisige Scherben zersplitterte, konnte er wieder nur stottern.
    »Kann ich Sie sprechen, Miss? Bitte? Unter vier Augen sprechen?«
    »Wo?«, fragte sie, und die kühle Nüchternheit dieser Frage kam ihm ein bisschen so vor, als hätte sie ein Duell auf Leben und Tod angenommen. Er hätte, ewiger Spötter, der er war, beinahe eine entsprechend spitze Bemerkung gemacht, aber zum ersten Mal seit langer Zeit war ihm wieder etwas zu wichtig, um Witze darüber zu machen.
    »Nun«, er räusperte sich länger als nötig, um ein wenig Zeit zu gewinnen. »In der Kombüse wäre vielleicht ein Platz.«
    »Gut.« Sie nickte, und wortlos gingen die beiden jungen Leute in Richtung Kombüse, um es hinter sich zu bringen. John Lafflin war mit den kräftigsten der Flüchtlinge dabei, sein Schiff wieder aufzubauen, und so blieben sie tatsächlich ungestört.
    »Ich möchte mich entschuldigen, Miss«, sagte John Gowers schüchtern, »falls ich etwas getan habe, was Sie gekränkt hat.«
    »Das haben Sie nicht, Mr. Gowers«, antwortete Deborah ruhig und sicher.
    »Ich meine, wenn ich etwas getan habe, was Sie nicht wollten.«
    Deborah biss sich auf die Lippen, hatte aber lange genug über das gestrige Erlebnis nachgedacht und sagte nach kurzem Zögern langsam, aber nicht weniger sicher: »Ich glaube, auch das haben Sie nicht.«
    Es dauerte ein bisschen, ehe er die richtige Wurzel aus seinen Fragen und ihren Antworten gezogen hatte und zu lächeln begann.
    »Dann freue ich mich, dass ich getan habe, was ich getan habe.«
    Deborah seufzte. »Ich bin leider nicht sicher, ob ich mich freuen soll, Mr. Gowers.«
    Er runzelte die Stirn, denn er fühlte zum ersten Mal etwas von der Schwere, die auf ihrem Leben lag. »Sie meinen, wenn etwas nicht falsch ist, heißt das noch nicht, dass es richtig ist.«
    »So ungefähr.« Sie schaute zu Boden und schämte sich dafür, dass sie alles so kompliziert machte und dass man das so einfach ausdrücken
konnte. »Ich bin zu tief verletzt worden, Mr. Gowers, um diese Dinge leichtzunehmen«, versuchte sie zu erklären, aber er lächelte immer noch.
    »Ich verstehe es ja«, sagte nun er sehr ruhig und sehr sicher. »Die Sache ist nur die …«, er fing ihren Blick mit den Augen ein und ließ ihn nicht wieder los. »Ich liebe Sie, Miss. Und mir ist egal, ob das richtig oder falsch ist, denn weder das eine noch das andere kann dieses Gefühl ändern.«
    Sie konnte nicht anders, als sein Lächeln zu erwidern, als mit diesen Worten zum ersten Mal etwas von seiner Leichtigkeit auf sie überging. »Sagen Sie meinen Namen!«, forderte sie nach einer Weile, mitten durch das Lächeln hindurch.
    »Deborah«, sagte John.
    »John«, sagte Deborah, und zu seiner Überraschung kam sie jetzt auf ihn zu, hielt ganz leicht seine Handgelenke und küsste ihn fest und trocken auf den Mund, ehe sie hinausging.
    Er war andere Küsse gewohnt, länger, wilder, tiefer, aber er vergaß diese erste Berührung ihrer Lippen sein Leben lang nicht. Er schmeckte ihr noch nach und fragte sich gerade, was sich alle jungen Männer in so einer Situation fragen  – ob

Weitere Kostenlose Bücher