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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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geworden war, mahnte ihn zur Vorsicht, und unter erheblichen Schmerzen rasierte er sich, ehe er ihm seine Entscheidung mitteilte.
    Der Investigator gehörte zu den wenigen Menschen im Lager, die allein, ohne Leibwache, Frauen, Henker und deshalb auch ohne Zeugen mit Te Kooti sprechen konnten, und nur dieser Umstand rettete ihm vermutlich das Leben. Lächelnd und ein wenig zu überlegen betrachtete der Prophet die gelungene Arbeit des Tätowiermeisters in Gowers’ Gesicht.
    »Haben Sie noch Schmerzen?«, fragte er.
    »Es geht«, antwortete Gowers.
    »Wissen Sie, was diese Zeichen bedeuten?«
    »Ja, Sir.«
    Te Kootis Freude trübte sich ein wenig. Er hatte sich bereits überlegt, mit welcher Betonung er die bedeutsamen Worte sprechen wollte, und war für einige Sekunden nichts anderes als ein Schauspieler, den man um seinen Auftritt gebracht hatte.
    »Sie wollten mich sprechen?«, fragte er ernüchtert.
    »Ich werde Sie verlassen, Sir«, sagte Gowers ruhig. »Sie wissen, warum. Ich habe etwas im Süden zu tun.«
    Der Prophet schüttelte den Kopf. »Ich glaube, Sie irren sich. Das war ein anderer Mann!«
    »Ich denke nicht, Sir. Trotz Ihrer …« Gowers musste eine erste heiße Aufwallung seines Zorns hinunterschlucken, »… Ihrer Zeichen bin ich derselbe Mann geblieben.«
    »Das ist traurig für Sie, mein Freund.« Te Kooti versuchte, seinen Worten den milden Klang auf richtigen Bedauerns zu geben. »Denn die Augen dieses Mannes sind blind und seine Ohren verstopft. Er kann die Zeichen Gottes nicht sehen und Gottes Stimme nicht hören und muss im Dunkeln wandern.«
    Die Selbstgewissheit des Propheten reizte Gowers so sehr, dass er ihm am liebsten verraten hätte, wie gut er auch im Dunkeln seine Wege sehen konnte. Stattdessen sagte er so ruhig wie möglich: »Bei allem Respekt, Sir, aber ich sehe Ihre Zeichen und höre nur Ihre Stimme!«
    Das war zu viel. Niemand durfte so mit dem Sieger von Matawhero sprechen.
    »Ich bin Gottes Mund, Mr. Gowers«, sagte Te Kooti finster. »Seine Stimme, sein Werkzeug. Und ich tue, was seine göttliche Offenbarung mir befiehlt!«
    Auch das war zu viel. Einem Mann das Gesicht zu zerschneiden war eine Sache. Frech zu behaupten, dass das der Wille Gottes, gut und richtig sei und der Mann im Unrecht, wenn er sein Leben zurückverlangte, eine ganz andere.
    »Wie«, fragte Gowers und kämpfte dabei seinen Zorn immerhin zu einem derben Sarkasmus nieder, »wie unterscheidet man eigentlich eine göttliche Offenbarung von einem Furz im Hirn?«
    Nach den wenigen Sekunden, die er brauchte, um diese Ungeheuerlichkeit zu begreifen, verwandelten sich Te Kootis gespieltes Bedauern und seine ehrliche Enttäuschung in Abscheu, Verachtung und Hass.
    »Sie wollen uns verlassen  – und Sie werden uns verlassen!«, drohte er mit funkelnden Augen und rief dann mit lauter Stimme nach draußen: »Maaka Ritai!«

125.
    Seine Zunge hatte ihm ja schon manchen Streich gespielt, aber dieser war wirklich hundsdumm, und er hielt ihn für seinen letzten. Je länger die Beratung dauerte, die der Prophet mit seinen zwölf Aposteln, Leibwächtern und Henkern abhielt, desto unangenehmer wurde vermutlich die Art und Weise, auf die sie ihn umbringen würden, dachte John Gowers  – an Händen und Füßen gefesselt unter freiem Himmel liegend, von den Hunden beschnüffelt, von den alten Frauen bewacht. Obwohl er sich immer für einen harten Burschen gehalten hatte und dem Tod schon häufig begegnet war, zermürbte ihn dieses Warten, und die Angst kroch allmählich an seinen Beinen, in seinem Körper hoch.
    Er rieb sein noch immer wundes Gesicht im Staub, um die
Angst durch den Schmerz zu vertreiben und sich erneut zu bestätigen, dass er im Recht war. Zumindest würde er ihnen noch ein paar Worte über ihre schwachsinnige Religion hinknallen, die sie nicht so bald vergessen würden. Er arbeitete bereits an Formulierungen, die die letzte an Gemeinheit noch übertreffen sollten, und schaffte es dadurch immerhin, dass Furcht und Zorn sich in seinem Innern einigermaßen die Waage hielten.
    Dann war es endlich so weit: Der Prophet rief seine Anhänger zum Wharenui , dem Versammlungshaus, und der Henker, Maaka Ritai, schleifte Gowers an den Füßen zum Niue , dem heiligen Pfahl, der an diesem Ort aufgerichtet war. Er sah dabei nur noch einen Wald schmutziger nackter Beine, und die frechen, freien Worte, die er sich zurechtgelegt hatte, konnten den Knebel der Angst in seiner Kehle nicht mehr durchdringen. Dann war es der

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