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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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wirklich stattgefunden hat, was stattgefunden hat  –, als Deborah noch einmal den Kopf durch die Tür steckte und ihn fragte: »Kannst du mir beibringen, wie man navigiert?«
    »Äh …« Sie hatte ihn schon mehrfach sprachlos gemacht, aber vielleicht nie so sehr wie in diesem Moment. Es waren einfach nicht die Worte, die man von einem Mädchen bei diesem Stand der Dinge erwarten konnte. »Natürlich«, sagte er mechanisch. »Gerne.«
    »Schön«, entgegnete sie trocken und verschwand sofort wieder.
    Es war ein sehr orientierungsloser Lotse, der kopfschüttelnd, grübelnd, verwirrt zurück auf das Steuerdeck kletterte, und erst der Anblick Gringoires brachte ihn gewissermaßen wieder zu sich.
    »Und?«, knurrte der alte Pirat, als der junge Mann wieder neben ihn trat.
    »Nein«, sagte John Gowers.
    »Was?« Gringoire hatte anscheinend seine eigene Frage vergessen. Der Lotse fand dadurch seine Selbstsicherheit wieder und hatte das deutliche Gefühl, sie sei um etwa drei Meter gewachsen.
    »Ich habe nichts getan, wofür ich mich entschuldigen sollte.« Das Grinsen, das bei diesen Worten auf sein Gesicht trat, hätte den größten Alligator Louisianas in die Flucht geschlagen.
    Aber Gringoire sagte nur: »Gut. Sorgen Sie dafür, dass das so bleibt, Engländer!«

124.
    Als Te Kooti Arikirangi nach Nga Tapa, wie man die alte Urwaldfestung nannte, zurückkehrte, befand er sich auf dem Höhepunkt aller Macht, die er in seinem unsteten Leben besitzen würde, und eine Veränderung war mit ihm vorgegangen. Fünfhundert Leben hielt er in seiner Hand, und täglich wurden es mehr, da ihm, nach seinem großen Sieg, neue Anhänger von den Stämmen der Turanga-Region und rund um die Hawke Bay zuströmten. Vielleicht würde er die gesamte Ostküste von den Pakeha befreien können, um unter dem Zeichen der erhobenen Hand eine Art Priesterkönigreich zu errichten.
    Tatsächlich erreichten Nachrichten das Kings Country, in denen der neue Prophet damit drohte, seine Leute nach Waikato zu führen, den König Tawhiao zu entthronen und an seine Stelle den einen Starken und Mächtigen, den von Gott erwählten Herrscher einzusetzen. Da Te Kooti sich selbst in seinen Predigten nur noch als »Gottes Mund« bezeichnete, war klar, wer dieser Starke und Mächtige sein würde. Was die Weißen auf der gesamten Nordinsel, ihre Regierung in Wellington und ihre militärischen Führer am meisten fürchteten, nämlich ein Bündnis der Kingites im Waikato-Becken mit den Rebellen Titokowarus im Süden und dem neu aufgetauchten furchtbaren Ausbrecherkönig im Osten, stand deshalb nie ernsthaft im Raum. Zu unterschiedlich
waren ihre politischen Interessen, zu widersprüchlich ihre religiösen Anschauungen.
    Auch die Whakarau bekamen die Veränderung, die mit Te Kooti vorgegangen war, zu spüren. Gewiss, er hatte sie schon vorher nicht nur mit gütigen Prophezeiungen und weisen Entschlüssen, sondern auch mit Drohungen und offener Gewalt zusammengehalten. Aber jetzt war er endgültig nicht länger einer von ihnen, nicht mehr Erster unter Gleichen. Eine öde alte Geschichte in der Geschichte, die sich zuvor und seither tausendfach wiederholt hat. Mit dem Herrschaftsanspruch des Propheten wurden seine Anhänger zu Untertanen, und auch die bereits bestehende Unterscheidung zwischen Gefolgsleuten und Gegnern, Freunden und Feinden verschärfte sich. Nun war jeder Te Kootis Feind, der nicht sein Untertan sein wollte.
    John Gowers hatte seinen Entschluss gefasst. Er hatte einem Gefangenen geholfen, sich zu befreien, und war dabei selbst zu einem Gefangenen geworden. Die Fesseln, die der Prophet ihm angelegt hatte, waren die Zeichen in seinem Gesicht, und er zitterte noch immer vor Wut, nicht nur über die Gemeinheit dieser Verstümmelung, sondern auch über die Selbstherrlichkeit, mit der Te Kooti in sein Leben eingegriffen hatte.
    Die Entscheidung, ihn zum Maori ehrenhalber zu machen, erwies sich jedoch als nicht so endgültig, wie es zunächst den Anschein gehabt hatte. Als die Schwellungen abklangen, die Wunden verheilten, stellte Gowers fest, dass sein Bartwuchs intakt geblieben war, und das linderte seinen Hass ein wenig. Zumindest verschwand sein Wunsch, Te Kooti bei der ersten Gelegenheit zu töten. Er würde einfach seiner Wege gehen und sah darin auch kein besonderes Problem, denn er fühlte sich dem Propheten jetzt in keiner Weise mehr verpflichtet. Lediglich dass der Mann vom charismatischen Religionsstifter so offensichtlich zu einem Warlord

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