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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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Himmel. Sie konnte es in seinen Augen sehen, seinen Worten hören, sogar in den Händen fühlen, wenn er sie streichelte: Unruhe, Ungeduld, Aufbruch. Und es war dieser für sie unerreichbare Teil, den sie vielleicht am meisten liebte, wie Menschen ja oft das am meisten wollen, was sie am wenigsten bekommen können, um immer ein Ziel zu haben, auf das sie zugehen.
    Das hatte sie um die Erde getrieben, aus den Tälern von Argyll, der engen Welt eines Robert Burns, from yone shady glen with the steep steep side of Ben Lomond , immer den unerreichbaren Horizonten nach, die sie in den Augen des Mannes sah, den sie liebte. Und weil sie von gleicher Art war, ohne sie als Frau in ihrer Zeit leben zu können, fühlte sie jetzt, dass er entweder gefunden
hatte, was er suchte, oder des Suchens müde geworden war. Beides beendete etwas, und seine Aufforderung an Emilia, mit den Kindern nach Auckland zu gehen, war eine Art Kapitulation vor der Wildheit der Welt.
    Das Problem dabei war, dass Emilia, wie ein Soldat, der die Entscheidungen seines Hauptmanns zwar trägt, aber nicht versteht, innerlich noch nicht bereit war, zu kapitulieren. Sie fühlte sich noch zu stark, wollte immer noch ein Stück weitergehen, und das Meer ihrer Sehnsucht hörte nicht die Stimme des Herrn oder des Schicksals, die sagte: »Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter, und hier sollen sich deine stolzen Wellen brechen!«
    Wäre sie bei ihm gewesen, unten in Hawera, in Camp Waihi, in den Zelten der Patea Field Force, sie hätte ihm etwas von dieser Kraft, dieser Sehnsucht zurückgegeben, die sich seit zwölf Jahren zwischen ihnen spiegelte. Obwohl er so munter schrieb wie immer, erkannte sie in den Briefen seine Erschöpfung, vielleicht deutlicher als er selbst. Und weil er offensichtlich erschöpft war, ohne es zu wissen, hatte sie zum ersten Mal Angst um ihn. In dieser Not tat sie das Einzige, was sie tun konnte, um sich zu beruhigen: Sie handelte gegen ihren eigenen Willen und packte ihre Sachen, um die kleine Hütte auf der Coromandel Range, über dem Meer und dem Whangamata River zu verlassen.
    Als sie an diesem bleichen Augustmorgen noch einmal hinausblickte über die See und das alte Lied wieder hörte in ihrem Kopf, sah sie, weit unten am Strand, eine schmale Gestalt näher kommen, die schwankte wie ein Betrunkener. Zunächst erschien sie ihr seltsam vertraut, aber das Fernrohr, mit dem sie so gut umzugehen verstand wie alle Pioniersf rauen, enthüllte ihr eine Art Gespenst, und sie rief nach Gewehr und Waffen. Der Mann war kein Maori, aber er war auch kein Weißer. Sein Oberkörper war nackt und unglaublich verdreckt, seine Hose blutig, zerrissen, und er ging barfuß über den kalten grauen Sand, aus dem die Ebbe gerade das letzte Wasser heraussog.
    Emilia, die in ihrem unsteten Leben in den Wildnissen der
Erde notgedrungen auch viel über Verteidigung gelernt hatte, wusste, dass sie ihn nicht aus den Augen lassen durfte. Sie befahl Louis und Randall, sich mit Little Lina in der Hütte zu verbarrikadieren und auf alles zu schießen, was sich bewegte, falls sie nicht zurückkommen würde. Dann stieg sie vorsichtig, das Gewehr im Anschlag, zum Strand hinunter, um dem unheimlichen Fremden und ihrer eigenen Angst entgegenzutreten.
    Er hielt jetzt genau auf sie zu, denn er hatte offenbar den schwachen Rauch über der Hütte gesehen und blieb erst stehen, als er die Herrin des Hügels selbst sah, die ihm langsam entgegenging; unruhig, wachsam, wie eine Tigerin mal nach rechts, mal nach links ausschwenkend allmählich näher kam.
    »Ich will Ihre Hände sehen!«, rief sie und musste nicht hinzufügen, dass sie in dem Moment schießen und wohl auch treffen würde, in dem sie sie nicht mehr sähe. Gehorsam hob der Mann beide Hände, streckte sie weit vom Körper ab, wobei er leicht taumelte, als würde ihn bereits das Stillstehen aus dem Gleichgewicht bringen. An den Schläfen, herauswachsend aus einem kurzen, schmutzigen Bart, erkannte sie Tätowierungen, wie nur Maori sie trugen.
    »Emilia von Tempsky, nehme ich an!?«, sagte das Gespenst.
    »Wer sind Sie?«, fragte Emilia und nahm immerhin zum ersten Mal den Finger vom Abzugshahn.

132.
    Es hatte keinen Sinn, John Gowers in warme Decken oder neue Kleider zu stecken, solange er aussah wie ein Urwaldgeist. Emilia, die den furchterregenden Besucher erst in Sichtweite brachte, nachdem ihre Jungen die Waffen weggelegt und die Tür aufgemacht hatten, schleppte deshalb zuerst den hölzernen Waschzuber

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