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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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überreichte.
    »Wollen Sie nicht hier übernachten, mein Lieber? Der nächste Dampfer nach Norden geht erst morgen Mittag ab. Wir könnten das Ganze noch einmal überschlafen und hätten das Vergnügen, zusammen zu frühstücken.« Er machte dieses Angebot tatsächlich nicht ganz uneigennützig. Auch Psychopathen haben ihre geselligen Momente, und seit kein Cheever, Huggins oder Dick Willoughby mehr in seinem intellektuellen Kielwasser schwamm, fehlte Bonneterre wenn nicht die geistige Auseinandersetzung, so doch das Publikum für seine entsprechenden Ergüsse. Der Detektiv wirkte deutlich reserviert.
    »Außerdem«, Bonneterre versuchte sich am generösen Lächeln eines Cäsaren, der Geschenke an verdiente Prätorianer verteilt, brachte aber nur eine Art Grimasse zustande, »wartet im Gästezimmer wieder eine Überraschung auf Sie!«
    »Nun, Sir«, sagte der Detektiv mit einer abwehrenden Handbewegung, »ich …«
    »Genau genommen zwei Überraschungen«, setzte Bonneterre seinen tödlichen Stich ins Zentrum von Gabriel Beales moralischer Integrität und freute sich am eigenen psychologischen Geschick. Er hatte die schwache Stelle des klugen kleinen Mannes bereits bei einem seiner früheren Besuche erkannt und für sich ausgenutzt.
    Beale schwitzte. Er wurde für diesen Unfug gut bezahlt, und sosehr ihm der junge Mann auch persönlich zuwider war, schätzte er doch die Extravaganzen, mit der dieser ihn anscheinend bei Laune halten wollte. Er nahm an, dass dies unter den Gentlemen des Südens ein völlig normaler Vorgang war. Es war dann aber vor allem die Tatsache, dass der nächste Dampfer wirklich erst am nächsten Tag fuhr und die Alternative in einer nächtlichen Kutschfahrt und einem einsamen Hotelzimmer in Baton Rouge bestanden hätte, die ihn das verlockende Angebot annehmen ließ.
    Desmond Bonneterre ergötzte sich etwa eine Viertelstunde lang an der Vorstellung, die der feiste kleine Yankee und die beiden von ihm persönlich ausgesuchten, sehr großen Farbigen ihm durch das Schlüsselloch boten. So hatte er schon als Junge in den Fluren des Herrenhauses gekniet, wenn sein Vater sich mit den Zimmermädchen vergnügte. Erst als seine Erektion zu hart wurde, ging er hinüber in das flache, sehr heiße Gebäude, in dem seine Zuchtstuten untergebracht waren, und wählte seine eigene Gefährtin für die Nacht. Nachdem er sich unter anfänglichen Konzentrationsschwierigkeiten geradezu verschwenderisch in sie ergossen hatte und ehe er sie wieder aus dem Bett jagte  – denn er schlief jetzt immer allein, bei sorgfältig verschlossener Tür und ließ sogar die Petroleumlampe brennen, in seiner Angst, im Schlaf ermordet zu werden  –, sagte er laut zu dem völlig verwirrten Mädchen: »John Lafflin ist der Schlüssel!«

131.
    Emilia war keine sechs Jahre alt gewesen, als ihr Vater eine gehobene Stellung in Blackpool antrat und sie ihr kleines Haus in den Glens von Argyll verlassen mussten, aber der Abschiedsschmerz ihrer Mutter hatte sich auf sie übertragen wie eine Infektionskrankheit. Das Mädchen schlug keine Wurzeln mehr, nicht in England, nicht in Mittelamerika, nicht in Australien, und das war auch gut so. Sie trug ihre Heimat bei sich, in sich,
und wer das kann, ist nie einsam, auch wenn ihn Wüsten, Ozeane und Urwälder von denen trennen, die er liebt.
    Aber immer, wenn sie zum letzten Mal den Schlüssel zu einer ihrer vorübergehenden kleinen Behausungen umdrehte, hörte sie ihre Mutter wieder von den bonny, bonny banks of Loch Lomond singen. Das war alles, was sie sich an Wehmut zugestand, und mit der Zeit zu ihrem geheimen Ritual geworden, von dem nicht einmal ihr Mann etwas wusste. Emilia von Tempsky, geborene Bell, sah ihr Leben lang lieber nach vorn als zurück.
    Seine Briefe klangen diesmal anders. Ohne dass sie sagen konnte, welche Worte, Wendungen es ausdrückten, spürte sie eine Müdigkeit darin, die sie an ihrem Mann nicht kannte. Es glich ein wenig der Leere nach dem Geschlechtsakt, jenem kurzen Moment satter, tödlicher Gleichgültigkeit, die in jeder Art der Befriedigung wohnt und die man am sichersten überlebt, wenn man den warmen Körper eines geliebten Menschen neben sich fühlt.
    Emilia wusste, dass ihr Mann nicht treu war, nie treu gewesen war, sie betrog; nicht unbedingt mit anderen Frauen, obwohl auch das im Feld sicher vorkam, sondern mit Wüsten, Urwäldern, mit dem Krieg selbst. Ein Teil seines Herzens war nie bei ihr gewesen, sondern immer da draußen, unter dem weiten

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