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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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bisschen geschämt. Vielleicht hatte sie deshalb das Gefühl, an Deborah etwas gutmachen zu müssen, als sie von Lucius mitten in einer dieser kalten Novembernächte geweckt wurde, weil der Lotse John Gowers mit seiner schwangeren Frau vor der Tür stand. Jedenfalls bekamen die beiden das beste, nämlich Emma Lafflins eigenes Schlafzimmer.
    Dass die alte Besatzung der Deep South unter diesen traurigen Umständen erstmals wieder zusammenkam, sorgte tatsächlich für eine Art bittersüße Fröhlichkeit, und sie gedachten ihres Kapitäns, indem sie kleine Geschichten von ihrer Fahrt erzählten: von Lafflins zweifelhaften Kochkünsten, dem Versteckspiel mit ihren Verfolgern, ihrem Weg durch die Sümpfe auf dem Schiffsgerippe, der Kohlenscharade
von Morgan City und wie John Gowers ins Wasser fiel und aufgeheißt werden musste wie ein nasses Segel.
    Erst am zweiten Abend begannen sie, über den Mord zu spekulieren, und ahnten noch immer nicht, dass genau das die Absicht der Mörder gewesen war. Immerhin aber gab es einen Umstand, den auch die Mörder nicht kalkuliert hatten.
     
    Es war für Gabriel Beale selbst schwer zu ergründen, was ihn letzten Endes so weit korrumpiert hatte, dass er das schmutzige Spiel seines Auftraggebers mitspielte. Es war nicht das Geld, das ihm reichlich zufloss, waren nicht die Annehmlichkeiten weiblicher Gesellschaft, die Desmond Bonneterre ihm immer wieder angedeihen ließ. Es war, sagte er sich, wenn die Frage  – meist vor dem Einschlafen  – am fernen Horizont seiner Integrität aufschien, der angeborene Instinkt eines Jägers, der lange vergeblich versucht hat, seine Beute aufzuscheuchen, und endlich eine Gelegenheit sieht, sie zu stellen.
    Wie jedem überdurchschnittlich intelligenten Menschen standen ihm seine Niederlagen deutlicher vor Augen als seine Erfolge: das Gelächter, in das Emma Lafflin ausgebrochen war, als sie ihn festnehmen ließ. Der ölige Triumph im Gesicht des alten Willoughby, als er ihm für seine vergeblichen Dienste dankte. Schließlich das Desaster von Pelahatchie. Moses, Gowers, Lafflin  – sie hatten ihn zum Narren gehalten und sollten sehen, hatten gesehen, wer zuletzt lachen würde.
     
    »Ist es sicher?«, fragte Bonneterre, voll angekleidet und in glänzend gewichsten Stiefeln auf dem Bett liegend.
    »Ganz sicher«, sagte sein Spürhund. »Sie sind in der Nacht auf gestern angekommen und haben seitdem das Haus nicht mehr verlassen.«
    »Wie viele Männer haben das bestätigt?«
    »Gesehen hat sie nur einer, Sir. Aber ich habe vier Leute am Haus postiert, vorn und hinten, rund um die Uhr. Sie sitzen in der Falle, wenn ich so sagen darf.« Beale warf schon wieder einen irritierten Seitenblick auf die Negerin, die Bonneterre an einem der Heizungsrohre
angekettet hatte. Warum tat er das? Das Mädchen schwitzte sich doch zu Tode. Er sah es an den nur noch wenigen weißen Flecken auf ihrem Kleid, die der Schweiß noch nicht dunkel eingefärbt hatte.
    Der Detektiv wusste nicht, dass Desmond Bonneterre schon seit längerer Zeit in der Angst lebte, ermordet zu werden, und den Komfort, den er auf Reisen brauchte, auf diese praktische Weise mit dem Gedanken an seine eigene Sicherheit verband. Das Mädchen war ständig feucht, strömte den starken, fast tierischen Geruch aus, den Bonneterre zur Aufstachelung seiner Lust inzwischen benötigte, und konnte ihm doch nicht gefährlich werden.
    »Dann also heute Nacht«, sagte er. »Beide. Und lebend. Hämmern Sie das diesen Schwachköpfen ein!«
    Als Beale den Raum verlassen hatte, stellte der junge Mann fest, dass sein Blut in den Ohren rauschte und seine Vorfreude so sehr gewachsen war, dass sie ihn am Denken hinderte. Er knöpfte deshalb seine Hose auf und näherte sich dem am Boden hockenden gefesselten Mädchen. Sanft, fast kitzelnd, strich er über die Narben, die sie anstelle von Ohrmuscheln hatte, und sagte: »Du wirst bald etwas Lustiges zu tun bekommen, Darry. Jetzt mach den Mund auf!« Es war ein herrliches Gefühl hemmungsloser, völlig sicherer Hingabe, dass Darioleta keine Zähne mehr hatte.

141.
    Der Detektiv sagte sich immer wieder, dass er John Lafflin ja nicht getötet hatte. Er hatte seinen Auftraggeber und dessen Handlanger lediglich darauf hingewiesen, wo und wann sie den Mann finden konnten. Er würde auch Moses und den Engländer nicht selbst entführen, ja vielleicht würde er sie gar nicht selbst zu Gesicht bekommen, was er insgeheim schon bedauerte. Moses zumindest hätte er sehr gerne

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