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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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kennengelernt, so wie man einen würdigen, aber letztlich überwundenen Gegner eben gern kennenlernt. Es konnte jetzt nicht mehr schiefgehen, das Wild war ja ahnungslos. Einzig und allein die düsteren,
fast krankhaften Gedanken an das, was Bonneterre mit dieser Frau tun würde, bedrückten Gabriel Beale ein wenig. Aber, sagte er sich, auch das würde er ja nicht selbst tun. Er wies nur den Weg, beschaffte Informationen, gab Befehle weiter.
    Im dichten, bunten Getümmel des Hafenviertels angekommen, überlegte er, welche Männer er wo einsetzen konnte, um so viel Lärm wie eben möglich zu vermeiden. Es war später Nachmittag, und ein Dampfschiff aus New Orleans war eingetroffen. Breite auf Deck und von Deck drängende Menschenströme, die er aufgrund seiner geringen Körpergröße nicht zu überschauen vermochte, stauten sich und hielten ihn auf. Während er noch nach einem geeigneten Ausweg suchte, hörte er plötzlich, erst leise, entfernt, dann lauter werdend, eine einzelne weibliche Stimme über dem Hafenlärm. »Jack! Jack!«, rief die Frau.
    Er dachte sich nichts dabei, denn Jack war nicht gerade ein ungebräuchlicher Name. Aber als ihn das Rufen hartnäckig verfolgte und er selbst bereits dachte: Wo zum Teufel ist denn dieser idiotische Jack?, drehte er sich irgendwann zu dem Dampfschiff um und sah, dass Molly, das Dienstmädchen Madame Clairbornes, dem er in New Orleans so gefährlich nahe gekommen war, ihm von Deck aus aufgeregt zuwinkte. Augenblicklich machte er sich noch kleiner, als er war, versank sozusagen im Erdboden und tauchte in der wogenden Menge unter. Jetzt konnte es doch noch schiefgehen!
     
    Als sie den Brief aus St. Louis las, hatte Eileen Clairborne zum ersten Mal seit vielleicht einem Vierteljahrhundert wieder geweint. Nur kurz tröstete sie der romantische Gedanke, dass Jean gestorben war, wie er gelebt hatte. Dann verdrängten ihr nüchterner Verstand und die Frage nach seinem Mörder diese Mädchenallüren.
    Er hatte ihr von seinen Verfolgern erzählt, damals, vor zwei Jahren, aber der einzige Verfolger, der bei ihr aufgetaucht war, war ein dicklicher kleiner Mann gewesen, der sich als Harvardprofessor ausgegeben hatte. Eileen Clairborne versuchte, sich sein Gesicht in Erinnerung zu rufen und sich vorzustellen, dass er ein Mörder war  –
aber ihr gelang beides nicht. Der Mann hatte geradezu erschreckend harmlos gewirkt.
    Dass sie nach St. Louis aufbrach, lag weniger an solchen Überlegungen als vielmehr an ihrem echten Bedürfnis, an Jeans Grab zu stehen und seiner Witwe zu kondolieren. Diese Frau war hochherzig genug gewesen, einer verflossenen Liebe ihres Mannes die Nachricht von seinem Tod in freundlichen Worten mitzuteilen, und sie freute sich darauf, Emma Lafflin kennenzulernen. Der Gedanke, dass Jeans Witwe das Leben gelebt hatte, das sie, Eileen Clairborne, hätte leben können, verdrängte das verschwommene Bild von Jacob Files, Andrew Jackson und seine Zeit  – bis ihr Mädchen Molly, sonderbar aufgeregt, Stein und Bein schwor, den seltsamen kleinen Mann im Hafen von St. Louis gesehen zu haben. Das konnte kein Zufall sein. Ihr ursprünglicher Verdacht tauchte wieder auf, verfestigte sich, und auf ihrem Weg in die Collins Avenue dachte sie jetzt nur noch daran, Mrs. Lafflin vor diesem unheimlichen Menschen zu warnen.
     
    Es blieb nicht viel Zeit für Höflichkeiten. Jean hatte Eileen von Moses und ihren gemeinsamen Befreiungsaktionen erzählt, und als sie nun einer hochgewachsenen jungen Farbigen vorgestellt wurde, sagte die Witwe des ehemaligen Gouverneurs von Louisiana: »Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, und bin stolz darauf, Ihnen die Hand zu schütteln.«
    Deborah war es unangenehm, derart im Mittelpunkt zu stehen, aber nachdem die Beteiligten alle Informationen diskutiert hatten, schien klar, dass dies ihr Platz war. Es ging um sie. Wer ihr unbekannter Verfolger war, wusste sie nicht, aber er war dort draußen und sie genau dort, wo er sie haben wollte.
    Dass Jacob Files, den Madam Clairborne und Molly  – bis über die Ohren errötend  – beschrieben, und der nächtliche Einbrecher namens Doughty, den Emma Lafflin und Lucius gesehen hatten, derselbe Mann waren, stand schnell fest. Als sich aufgrund dieser Beschreibungen auch Jason sehr verlegen zu Wort meldete und erzählte, dass ihn vor einigen Monaten ein kleiner Zeitungsreporter aus dem Osten,
allem Anschein nach ein überzeugter Abolitionist, über eheliche Beziehungen zwischen weißen

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