Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
wusste.
»Kugeln«, sagte John hart. »Sie schreiben: ein halbes Dutzend.«
»Gut«, erwiderte Deborah leise und nickte. »Dann ging es schnell.« Wortlos sahen sie einander an, nur wenige Sekunden, die aber ausreichten, um sich zu verständigen und über ihre gemeinsame Zukunft zu entscheiden. »Ich werde mitkommen«, sagte Deborah. »Zuerst nach St. Louis und dann in den Osten.«
Erst jetzt umarmten sie einander.
John Lafflins Papiere sahen vor, dass im Falle seines Todes auch einige Leute benachrichtigt werden sollten, die seine Witwe nicht oder zumindest nicht namentlich kannte. Emma Lafflin, die die Beerdigung mit bemerkenswerter Stärke überstanden hatte, entledigte sich dieser Briefschulden rasch und gern, denn die Tätigkeit lenkte sie nicht nur von ihrer Trauer, sondern auch ihrem Zorn ab.
Die Polizei hatte die Ermittlungen zu den Todesumständen des Pulverfabrikanten bereits nach drei Tagen eingestellt, eine selbst für den amerikanischen Westen bemerkenswert kurze Zeit, die indes viel über die Ohnmacht und Ratlosigkeit des Staatsapparats gegenüber der ganzen verfahrenen Sklavenfrage verriet. Offenbar hatte
eine Vigilantentruppe den einsam wandernden Abolitionisten erwischt. Das war nicht weiter verwunderlich. Man hatte nach John Browns Wahnsinnstat sogar mit irgendwelchen Racheakten der Fanatiker von der anderen Seite gerechnet, wenn auch nicht unbedingt in St. Louis.
Wer diese Fanatiker gewesen waren, ließ sich im Hexenkessel aus Terror und Gegenterror wohl kaum je feststellen. Es konnten bezahlte Schläger gewesen sein, vielleicht auf dem Weg nach Kansas, die einfach die günstige Gelegenheit genutzt hatten. Es konnten aber auch John Lafflins Nachbarn gewesen sein, Mitbürger, irgendwelche Burschen, bei denen er sich mit seiner Meinung unbeliebt gemacht hatte. Ohne Zeugen konnte das niemand wissen, zumal die Mörder inzwischen wieder ihre Zivilgesichter trugen oder einfach längst über alle Berge waren.
Tatsächlich befanden sich die Killer noch in St. Louis, in Spratts Boarding House in der Nähe des Hafens, und sahen aus wie Flößer, die auf eine Heuer in den Süden warteten; während ihr Anführer respektive ihr Arbeitgeber, ein eleganter junger Mann, der mit umfangreichem Gepäck und einer Leibsklavin reiste, im feinen Gatesto-the-West-Hotel residierte, das allgemein nur als Gates bekannt war. Hier wohnten üblicherweise begüterte Kaufleute, Reeder, und sogar Präsident James Buchanan war auf einer Wahlkampfreise einmal hier abgestiegen.
Den Kontakt zwischen diesem besten Haus am Platz und der schäbigen Hafenpension stellte regelmäßig ein seltsam unauffälliger kleiner Mann her, den jeder, der ihn zufällig doch einmal bemerkte, für eine Art Handelsvertreter halten musste. Er war es, der die Dinge organisierte, der die Wege John Lafflins ausspioniert hatte und der jetzt auch das Haus in der Collins Avenue rund um die Uhr beobachten ließ. Am liebsten hätte er auch die Post kontrolliert, welche die Nr. 24 verließ und in die Nr. 24 gelangte, aber Emma Lafflin ließ die Post durch ihren Hausdiener Lucius besorgen, und vor Lucius verbarg sich der bullige kleine Mann, denn dieser hochgewachsene, kräftige
Schwarze hatte ihn bereits einmal als Einbrecher den Polizeibehörden von St. Louis übergeben.
So konnte er seine heimliche, erschreckende Aufmerksamkeit nur auf die Kondolenzbesucher konzentrieren, die der Witwe des Pulverfabrikanten nach und nach persönlich ihr Beileid bekundeten. Die Leute, die er suchte, hoffte er allerdings eher mit der Nachricht herzulocken, dass John Lafflin einem Mord zum Opfer gefallen war. Woher sie kamen und wie sich diese Information unter ihnen verbreitet hatte, war dann zweitrangig.
Weniger als eine Woche nach John Lafflins Beerdigung begannen in der Tat nicht nur Beileidsbriefe, sondern auch Besucher in der Collins Avenue einzutreffen, die von weit her kamen und die Emma Lafflin nur zum Teil kannte. Sie kannte natürlich Mr. Phineas, kannte Jason, hatte den weißhaarigen alten Gringoire schon einmal gesehen. Von Deborah hatte ihr Mann ihr lediglich einige Male erzählt; das allerdings so schwärmerisch, dass sie am Anfang beinahe eifersüchtig geworden war.
Erst als John Gowers auf seine seltsame Art um das Mädchen geworben hatte und Lafflin dieses Vorhaben so offensichtlich begrüßte, hatte Emma eingesehen, dass seine Bewunderung für die junge Frau ihrem Mut und ihren Taten galt, und sich für ihre profane Eifersucht sogar ein
Weitere Kostenlose Bücher