Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
Vom Netzwerk:
sein Zuhause?
    Er merkte, dass er nicht mehr bei der Sache war, und wusste, dass es im Krieg eine lebensgefährliche Sache ist, nicht ganz im Hier und Jetzt zu sein. Er schwitzte, sein Kopf war heiß. Er ging ein paar Schritte hinunter zu diesem jämmerlichen kleinen Bach, um sich etwas Wasser über den Schädel zu gießen, und stutzte nur, weil ihm dabei plötzlich die Verse einfielen, nach denen er sein Gedächtnis nun schon seit Wochen ergebnislos durchsucht hatte. Es war in Braunsberg, an der Mährischen Pforte, im Schatten des Glaserbergs, und die Stimme seiner Großmutter, die das Lied sang:
    »Ich hab daraus getrunken, gar manchen frischen Trunk. Ich bin nicht alt geworden, ich bin nicht alt geworden! Ich bin noch allzeit jung.«

146.
    »Wir haben sie gar nicht gesehen, Sir. Sie ist nicht rausgekommen und wir nicht rein. Aber sie ist jedenfalls drin, hat der Sheriff gesagt. Und raus kann sie nicht, weil er jetzt ihre Papiere hat.«
    Die beiden schäbigen Kerle, die Bonneterre damit beauftragt hatte, die Rolle von Moses’ Besitzer und seinem Zeugen zu spielen, waren
sehr zufrieden mit sich. Mit einem Minimum an Aufwand glaubten sie, das Maximum aus der Situation herausgeholt zu haben.
    »Und wie heißt sie?«, fragte Bonneterre ungehalten, und seine Strohmänner sahen einander stirnrunzelnd an, ehe sie ratlos die Schultern hoben.
    »Das hat er nicht gesagt, Sir.«
    Der elegante Kreole lachte verächtlich. Da hatte er mit Vorbedacht die intelligentesten seiner Mörder für die nicht unkomplizierte Aufgabe ausgewählt, und das traurige Ergebnis sagte noch immer mehr über seine Truppe als über den Gegenstand ihrer Jagd aus. Er selbst hätte darauf bestanden, die Sklavin und ihre Papiere zumindest zu sehen; aber er wollte natürlich nicht persönlich in irgendeine öffentliche Erscheinung treten. Auch Gabriel Beale hatte es abgelehnt, die Rolle des Sklavenhalters zu spielen, da er, wie er sagte, in St. Louis polizeibekannt sei. Also hatten es die beiden Trottel machen müssen  – mit der kläglichen Folge, dass Moses nicht einmal verhaftet wurde, sondern bis zur Klärung des Sachverhalts in der Collins Avenue 24 bleiben durfte!
    Bonneterres Neugier auf diese Frau war krankhaft. Er sah sie vor sich, in seinen Gedanken, aber sie hatte kein Gesicht. Er stellte ihr Fragen, in seinem Kopf, aber er kannte ihren Namen nicht. Beides behinderte das Spiel seiner Fantasie so sehr, dass er kaum noch Schlaf fand, so dicht vor dem Ziel. Er glaubte, sein Opfer schon riechen zu können, aber wenn er die Augen aufschlug, war es nur Darioleta, die in der Zimmerecke sogar den Teppich feucht schwitzte, auf dem sie lag. Noch vor Mitternacht hielt er es nicht mehr aus und stand wieder auf; hätte er eine Erektion gehabt, wäre er einfach einmal mehr über das unglückliche Mädchen hergefallen, aber die Aufregung über das nahe Ende seiner langen Jagd machte sein Glied schlaff und seine Hoden leicht.
    Bonneterre zog sich an und ging in die Halle des Gates hinunter, wo Gabriel Beale in einem der bequemen Polstersessel saß. Auch der Detektiv konnte nicht schlafen, aber es war nicht Neugier, sondern Unruhe, die ihn umtrieb. Er hielt nicht viel vom Plan seines Auftraggebers,
weil dieser den Gegner zu vorschnellen und darum nur schwer berechenbaren Reaktionen veranlassen konnte.
    »Wenn sie etwas tun, tun sie es heute Nacht«, stellte er fest, als Bonneterre ihn seiner Unruhe wegen nur fragend ansah.
    »Wie viele Leute bewachen das Haus?«, fragte der Kreole fast spöttisch, aber nur, um seine eigene Besorgnis zu überspielen.
    »Drei von uns, hinten«, antwortete Beale. »Vorn stehen die Leute des Sheriffs. Aber ich weiß nicht …«
    »Dann schauen wir doch einfach mal vorbei, wenn Sie das beruhigt«, schlug Bonneterre eine Spur zu schnell vor; er hoffte tatsächlich, durch irgendein Fenster, irgendeinen Zufall zumindest einen Blick auf Moses zu erhaschen. Der Detektiv seufzte. Er war erst vor wenigen Minuten von seinem letzten Kontrollgang in die Collins Avenue zurückgekommen. Er war müde. Dennoch erhob er sich so rasch, als hätte er Sprungfedern im Hintern, und die beiden Männer traten hinaus in die kalte Nacht.
    »Ich werde sie übrigens nicht töten«, sagte Bonneterre auf dem nicht allzu langen Weg, um das Gewissen des Detektivs zu beruhigen. »Ihn ja, sie nicht.« Und er lächelte bei diesen Worten, als hätte er eine liebevolle kleine Überraschung durchschaut, die ein anderer ihm bereiten würde.
    An einer dunklen

Weitere Kostenlose Bücher