Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
trat zu den glimmenden Resten des großen Feuers und pisste hinein. Zischend erloschen die letzten Funken seiner erschlagenen Feinde, und weißer Rauch umspielte seine Beine.
»Es ist spät geworden. Ich bin müde«, sagte er, und auf einen Wink hin erhoben sich nun auch seine Männer und gingen zurück ins Dorf. Gowers wurde unter Bewachung in eine gesonderte Hütte gebracht. Er hatte sich vorgenommen, nicht zu schlafen und am nächsten Tag nach Camp Waihi aufzubrechen. Was er dort tun würde, tun könnte, wusste er immer noch nicht
und hatte lediglich den vagen Plan, irgendwie Kontakt zu Takiora aufzunehmen – falls sie überhaupt dort war und man ihn überhaupt freiließe.
Bei Sonnenaufgang fiel er aber dennoch in den kurzen, einstündigen Schlafrhythmus, den er sich auf seiner langen Reise angewöhnt hatte, das heißt, er erwachte jeweils nach einer Stunde, vergewisserte sich, dass alles in Ordnung war, und nickte dann für eine weitere Stunde ein. Es mochte gegen acht Uhr am Morgen sein, als vereinzelte Schüsse ihm den Schlaf endgültig aus den Augen trieben. Er lauschte, aber der Lärm war nicht kriegerisch und klang auch nicht nach einer Jagdpartie. Offenbar war eine Art Scheibenschießen im Gange, nur wer schoss und auf was geschossen wurde, sah er auch dann nicht, als er die Hütte schließlich verließ.
Seine Wachen waren abgezogen worden und das Dorf nahezu leer. Nur ein paar Alte waren zurückgeblieben und kümmerten sich um die Dinge des täglichen Bedarfs, flickten Kleidungsstücke, spalteten Holz und bewachten ein Dutzend Schafe und Ziegen, die das spärliche Grün rings um die Hütten abgrasten und keiner Bewachung bedurft hätten. Die restlichen Bewohner fand Gowers jenseits der Palisade und auf der großen Lichtung als Zuschauer bei einem Schauspiel, das er zunächst nicht verstand.
Es waren ausschließlich Kinder, die feuerten, Jungen und Mädchen von neun, zehn, elf Jahren, zum Teil kleiner als die Gewehre, die die Frauen für sie luden. Die Krieger standen lediglich dabei und spornten die Kinder an, gaben Ratschläge, mahnten. Ihr Ziel konnte Gowers noch nicht ausmachen; er sah lediglich, dass zwischen den ersten vereinzelten Bäumen am Waldrand ein Seil gespannt war.
Als Titokowaru, noch immer in seinem europäischen Anzug, den Investigator herankommen sah, befahl er, das Feuer einzustellen, und winkte ihn zu sich. Gemeinsam gingen sie dichter an die Bäume und das Seil heran, und Gowers entdeckte schließlich
den weißen Gefangenen, der dicht an den Boden gekauert hinter den Baumwurzeln Deckung suchte. Um seine Hüfte war ein zweites Seil geschlungen, das mit der langen »Laufleine« so verbunden war, dass er sich zwischen den Stämmen hin- und herbewegen konnte, zehn Schritte nach links, zehn Schritte nach rechts. Mit zitternden Händen arbeitete der Gefangene an den Knoten, die man jedoch mit Wasser übergossen hatte und die inzwischen so eingetrocknet waren, dass er sich bei den verzweifelten Versuchen, sie zu lösen, bereits einige Fingernägel abgerissen hatte.
Der Mann heulte und schluchzte, rief mit überschnappender Stimme: »Ihr seid keine Menschen! Ihr seid keine Menschen!«, in diese erste wirkliche Schießpause, und als er aufsah, erkannte Gowers die lange rote Narbe in seinem Gesicht.
»Ist das der Mann?«, fragte Titokowaru leise.
Gowers hatte James Fagan nur ein einziges Mal gesehen und ging noch ein Stückchen näher heran. »Bradley?«, rief er. »James Bradley?«
»Ja, Sir, jawohl, Sir«, schrie der Gefangene verzweifelt, und als er inmitten dieses Alptraums einen trotz seiner Tätowierungen offenbar weißen Mann vor sich sah, flackerte in seiner Stimme und seinen Augen die irrwitzige Hoffnung, doch noch einmal davonzukommen. »Retten Sie mich, Sir. Retten Sie mich! Um der Gnade Christi willen: Helfen Sie mir! Die wollen mich abknallen wie einen Hund!«
Einige Schüsse hatten ihn bereits gestreift; er blutete aus mehreren kleinen Wunden, war aber noch nicht ernsthaft verletzt. Einen Moment lang dachte Gowers daran, den Mörder, den er so lange gejagt hatte, selbst zu erschießen, aber dann erkannte er beinahe widerwillig die Gerechtigkeit, die in der von Titokowaru angeordneten Strafe lag. Er drehte sich um und ging langsam zu dem Häuptling der Ngaruahine zurück.
»Ja«, sagte er.
»Sir, bitte«, gellten die Schreie James Fagans in seinem Rücken.
»Bitte gehen Sie nicht weg! Helfen Sie mir! So helfen Sie mir doch!«
Titokowaru zog das Messer aus dem
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