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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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Nacht riegelte er seine Tür noch sorgfältiger ab als früher, wenn er auch die Gewohnheit beibehielt, Darioleta in seinem Schlafzimmer anzuketten. Manchmal verbarrikadierte er sich sogar in der jämmerlichen kleinen Angst, die tief in jeder Bosheit steckt. War es vorbei?
     
    Seine Füße bluteten schon, als er am Ufer des Kaskaskia stand. Der Fluss war nicht übermäßig breit, aber tief, und obwohl er ein guter Schwimmer war, geriet das kleine Bündel in seiner linken Hand zweimal ins kalte Wasser. Er versuchte, das Kind warm zu reiben, aber es machte auch bei dieser rauen Behandlung die Augen nicht mehr auf. John trug es den Rest des Weges an seiner nackten Brust und konnte später nicht sagen, wann es aufgehört hatte zu atmen. Es hatte nie geschrien, und nicht ein einziges Mal hatte er die Stimme seiner Tochter gehört.
    »Es war nicht deine Schuld«, beruhigte ihn die alte Syrah, als sie ihm das Bündel aus den zitternden Händen nahm. »Sie war noch zu klein. Sie konnte nicht leben.«
    Syrah weinte bei diesen Worten  – um das Kind, um Deborah, um ihren Mann  – und wanderte später mit ihren Töchtern und Enkeln
zu der Stelle, die John Gowers ihr bezeichnet hatte, um Blumen ins Wasser zu werfen.
    John fand keine Tränen mehr nach allem, was er getan hatte.
    »Ich weiß, wessen Schuld es ist«, erwiderte er irgendwann, als Syrah sich an ihre ersten Worte kaum noch erinnerte. Das Angebot, in ihrer Hütte zu wohnen, nahm er dankbar an, ging aber in den nächsten Tagen noch einmal nach Lawrenceville, um seine Sachen zu holen. Und erst als er sein altes Zuhause betrat, Deborahs Kleider sah und das Bett, in dem sie geschlafen hatten, brach er zusammen.
    Drei Tage lang war er nicht fähig, etwas zu essen, und erst als er merkte, dass er vor Schwäche kaum noch stehen konnte, riss er sich wieder zusammen.
    »Ich weiß, wessen Schuld es ist«, sagte er noch einmal laut, die ersten Worte nach diesen drei Tagen und die letzten, die er in ihrer gemeinsamen Wohnung sprach. John Gowers schnürte sein Bündel, schaffte es sogar, Deborahs Kleider zusammenzupacken, und ertrug es in den folgenden Wochen, sie an Syrahs Töchtern zu sehen. Es waren gute Kleider, und es wäre Verschwendung gewesen, sie wegzuwerfen.
     
    Einen Winter lang rief er sich alles ins Gedächtnis zurück, was er über seine Feinde wusste, und ordnete dieses Wissen hinter seinen geschlossenen Lidern in die verschiedenen Systeme der Ars Memorativa ein. Dann kannte er zumindest die Fragen, die er stellen musste. Er hatte zwar deutliche Bilder, Gesichter vor Augen, aber keine Namen zu diesen Gesichtern. Den Kreolen sah er Tag und Nacht vor sich und wusste doch nicht, wie er hieß. Von dem anderen, dem Drahtzieher, dem Spion fehlte ihm beides. Wo also sollte er seine Suche beginnen?
    Halbe Tage saß er jetzt über dem Fluss, schaute nach Süden und grübelte über diesen Fragen. Wie hatte die Louisiana-Miliz Barataria gefunden? Sollte er nach New Orleans gehen und Maggie über ihren unheimlichen Kunden befragen? Herausfinden, in welchem Hotel die Miliz damals abgestiegen war? Und wie sollte er die Namen, die er dabei womöglich erfuhr, den Gesichtern in seinem Kopf zuordnen? Nein, es musste einen anderen Weg geben; irgendetwas, eine Kleinigkeit,
die er übersehen hatte, eine Spur, der er nachgehen, einen Faden, den er aufgreifen konnte.
    John Gowers wurde zum Detektiv in diesem Winter, und es war kein glücklicher Zufall, sondern konzentrierte Gedankenarbeit, die ihm die Lösung brachte. Als er zum hundertsten Mal durchdachte, bei welchen Gelegenheiten er den Kreolen gesehen hatte, fiel ihm plötzlich ein, dass er doch einen seiner Feinde namentlich kannte und sogar wusste, wo er wohnte: »Mein Name ist Lemuel Willard. Ich besitze eine Baumwollplantage bei Indian Mound.«
     
    War ihm anzusehen, dass er seinen Weg gefunden hatte? Syrah setzte sich zu ihm an diesem Abend und sah lange in seine Augen.
    »Du wirst bald fortgehen«, sagte sie.
    John nickte.
    »Du wirst fortgehen und kämpfen, und ich werde hierbleiben und pflanzen.« Sie sah ihn jetzt nicht mehr an, und er war sich nicht sicher, ob sie überhaupt noch mit ihm sprach oder mit Gringoire, dessen Stiefel er trug.
    Syrah beendete diese Zweifel mit ihren nächsten Worten. »Ich wollte dir sagen, John Gowers, dass du immer herkommen kannst, wenn du müde vom Kämpfen bist. Und wenn ich nicht mehr lebe, denn ich bin alt, werden meine Töchter und ihre Kinder da sein und auf dich warten.«
    »Ich

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