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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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Gürtel, das er Gowers in der Nacht abgenommen hatte, und schleuderte es bis zu der Baumwurzel, hinter der Fagan lag. Es war ein schlechter Wurf; die Klinge blieb nicht im Holz stecken, sondern prallte ab und blieb ein paar Schritte neben dem zum Tode Verurteilten liegen.
    Als James Fagan merkte, dass das Feuer nicht wieder aufgenommen wurde, stürzte er aus seiner Deckung, packte das Messer und begann, seine Fesseln zu zerschneiden. Erst mitten in dieser Arbeit erkannte er, was er da in der Hand hielt. Er stutzte einen Augenblick, starrte mit weit aufgerissenen Augen auf seine Peiniger, verstand nicht und würde nie erfahren, wie sein Messer an diesen Höllenort gekommen war.
    »O mein Gott, mein Gott!«, rief er und fuhr dann in panischem Schrecken fort, sich zu befreien. Und auf diese Weise waren es ganz zuletzt drei Männer, die wussten, warum geschah, was geschah: der von Entsetzen geschüttelte Mörder, sein gnadenloser, unerbittlicher Verfolger und der furchtbare einäugige Richter. Dann hatte Fagan die Stricke durchschnitten und rannte mit taumelnden Schritten in den Wald.
    »Jetzt!«, befahl Titokowaru, und jauchzend vor Mordlust und Jagdeifer schwärmten seine kleinen Henker aus, über die Lichtung, rannten wie ein Rudel hungriger Wölfe ihrer Beute hinterher und verschwanden zwischen den Bäumen. Wenig später hörte man einzelne Schüsse, Schreie, dann ein wildes Triumphgeheul aus einem Dutzend Kinderkehlen. Dann nichts mehr.

155.
    Etwas zu wissen, ohne es beweisen zu können, kam im Leben eines privaten Ermittlers recht häufig vor. Genau genommen bestand seine Arbeit ja gerade darin, Beweise für bestimmte Vermutungen zu
erbringen beziehungsweise so vielen Vermutungen nachzugehen, bis eine davon sich als evident erwies. Ein wichtiger Zweig seiner Tätigkeit war es auch, verloren gegangene Dinge wiederzubeschaffen oder wenigstens herauszufinden, wo sie geblieben waren und was mit ihnen geschehen war.
    Dazu brauchte man in erster Linie Spuren, und die waren in dem Auftrag, einen Menschen namens Moses zu finden, von Anfang an dünn gesät gewesen. Aber nie war Gabriel Beale in dieser Hinsicht so ratlos wie in den Tagen, die der Flucht der Deep South folgten. War das Schiff explodiert und gesunken? Hatte sein verzweifelter mörderischer Plan funktioniert? Oder hatte John Gowers, der das ja schon einmal getan hatte, das Schiff und seine Mannschaft unsichtbar gemacht? Wie sollte er das herausfinden? Wo sollte er auch nur anfangen?
    Auf dem großen Fluss hinterließ nichts und niemand eine Spur; allenfalls an seinen Ufern hätte man nach Indizien, Wrackteilen, Leichen zumindest suchen können. Aber wenn nicht gerade ein verkohltes Brett mit der Aufschrift Deep South oder eine Lotsenjacke mit dem Namenszug »John Gowers« angespült wurde oder ein Angler anstelle von Flussbarschen eine blaue Brille aus dem Wasser zog, wären auch Wrackteile und dergleichen keine Beweise, die dem hohen Wahrheitsanspruch des Detektivs genügten.
    Gabriel Beale musste kapitulieren, und sein scharfer Verstand fand sich auch erstaunlich schnell mit der Tatsache ab, dass er dieses Rätsel nie lösen würde. Nur in seinen Träumen stand er Moses noch oft gegenüber und bettelte um sein Leben.
     
    Desmond Bonneterre nahm es schwerer. Zweifellos war die Sache für ihn schon vorher zur fixen Idee geworden, die er jetzt umso weniger abschütteln konnte, als er nie Klarheit über sie haben würde. Dass sein ganzes Vermögen, sein Verstand, seine Macht und  – seine Schnelligkeit nicht ausgereicht hatten, Moses zu fangen, kränkte auch seine Eitelkeit schwer.
    Allen Ernstes erwog er, nach Wrackteilen zu suchen, als der Detektiv
sagte, dass die Deep South mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Luft geflogen sei, und nur die lächerliche Figur, die er dabei machen würde, hielt ihn davon ab.
    »Entschuldigung, sind hier in letzter Zeit Leichen angespült worden?!«
    Er kaute seine Rachegedanken durch, bis sie jeden Geschmack verloren hatten, und konnte sie doch nicht hinunterschlucken. Anfangs betrank er sich jeden Abend, um überhaupt in einen wirren Schlaf zu finden, und zeitweise litt seine Potenz unter der jämmerlichen Ohnmacht, die schließlich das Einzige war, was er in dieser Sache empfinden konnte.
    Aber irgendwann siegte seine Jugend, die Eitelkeit, das Wissen, dass er noch immer der »Herr« war, Hunderte von Sklaven und beinahe ein Land besaß, um das ihn mancher der kleinen europäischen Könige beneiden würde. Nur in der

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