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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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seit über zwei Stunden sah er sich jetzt in der Absicht um, festzustellen wo er überhaupt war und wohin er gehen würde. Es waren noch mindestens zwanzig Meilen bis Chester und zu der Anlegestelle von Gringoires Farm. Er musste von der kleinen Insel herunter, zum Illinois-Ufer, vermutlich auch noch den Kaskaskia überqueren  – aber ehe er all das tat, musste er Deborah unter die Erde bringen.
    Er zog der Leiche die blutige Kleidung vollends aus und wickelte seine Tochter, so gut es ging, darin ein. Dann zerriss er sein Hemd in schmale Streifen und verband damit die riesige Wunde. Nur kurz suchte er nach einer geeigneten Stelle und fand eine kleine Lichtung, auf der weder Wurzeln noch Fels seine Arbeit unmöglich machen würden. Der Boden war weich und feucht, dennoch brauchte er fast eine Stunde, um mit den bloßen Händen ein flaches Grab auszuheben. Anschließend trug er Deborah auf seinen Armen bis auf die Lichtung und legte sie nackt in die Erde. Ohne eine Träne zu vergießen, bedeckte er sie mit dem lockeren Aushub und hielt nur noch einmal kurz inne, um sich die Stelle für alle Ewigkeit einzuprägen.
    Mit dem Kind, das er hoch über seinen Kopf hielt, überquerte John Gowers den schmalen Flussarm zum Ostufer. Er musste nur an zwei Stellen schwimmen, hatte aber große Schwierigkeiten, an der steilen Böschung eine geeignete Stelle zu finden, um an Land zu kommen.
Einmal rutschte er ab und fiel ins Wasser zurück, wobei auch das Bündel nass wurde, das er umklammert hielt. Er vergewisserte sich, dass die Kleine noch atmete, küsste sie und versuchte es dann an einer anderen Stelle noch einmal.

154.
    Die Nachricht vom Tod Manu-Raus und von der vernichtenden Niederlage der Pakeha verbreitete sich unter den Stämmen im Busch schneller und weiter als der Rauch darüber, und schon am Abend trafen erste kleine Gruppen neuer Verbündeter in Titokowarus Lager ein. Der Häuptling der Ngaruahine hatte deshalb alle Hände voll zu tun, und erst spät in der Nacht ließ er den sonderbarsten seiner Besucher noch einmal zu sich rufen.
    Gowers war auf der Hut, als die Männer ihn aus dem Dorf hinaus in den Busch führten, und erwartete, jeden Moment einen Schlag über den Schädel zu bekommen. Dann bemerkte er jedoch einen schwachen rötlichen Schimmer zwischen den Bäumen und wusste, dass er zu dem niedergebrannten Scheiterhaufen gebracht wurde, aus dessen Asche noch hier und da die rote Glut funkelte wie die Augen eines vielköpfigen Raubtiers. Sein ungewöhnliches Sehvermögen löste die niedrigen Schatten davor zu den Silhouetten einer auf dem Boden sitzenden Gruppe von Männern auf, die leise miteinander redeten. Einer von ihnen erhob sich, trat zu ihm hin und schickte die Wachen weg. Gemeinsam gingen sie ein paar Schritte am Rande der Lichtung, fort von den anderen, und Gowers, noch immer bewaffnet, erkannte, was er am Nachmittag nur geahnt hatte: dass Riwha Titokowaru ein Mann ohne jede Furcht war.
    »Haben Sie zu essen bekommen, Mr. Gowers?«, fragte der Häuptling.
    »Ich habe keinen Appetit, Sir«, antwortete der Investigator, dem man im Dorf etwas Gebratenes angeboten und der dankend
abgelehnt hatte, weil er nicht wusste, woher das Fleisch stammte.
    »Ich verstehe«, sagte Titokowaru und ahnte nicht, dass Gowers sehr wohl das wilde Grinsen sah, das dabei über sein Gesicht huschte. Die Augen dem niedergebrannten Feuer zugewandt, ließ der Häuptling sich auf dem Boden nieder und lud seinen Gast mit einer flüchtigen Handbewegung ein, vor ihm Platz zu nehmen. »Und nun erzählen Sie mir Ihre Geschichte, Mr. Gowers!«
    Es dauerte die halbe Nacht, denn er ließ nichts aus, nicht seinen Hass auf Te Kooti, nicht seine Freundschaft für von Tempsky, nicht einmal die Nacht mit Emilia. Was Titokowaru jedoch am stärksten zu interessieren schien, waren die Geschehnisse in Melbourne, der Tod der Kinder und ihrer Mutter und die seltsame, dunkle Rache, die Gowers über Meere und durch Urwälder bis nach Te Ngutu o te Manu getrieben hatte.
    »Wie wollen Sie den Mörder erkennen, wenn Sie ihn sehen?«, fragte der Häuptling.
    »Unter den Fingernägeln des geschändeten Mädchens war Blut. Er muss eine tiefe Narbe haben.«
    Titokowaru nickte bedächtig. »Geben Sie mir das Messer«, sagte er dann, und Gowers reichte ihm die Klinge, die Poll Hunley und den kleinen Jonathan getötet hatte. Der Häuptling nahm das Messer des Mörders an sich, stand dann aber ohne ein weiteres Wort auf und streckte seine erstarrten Glieder. Er

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