Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
bebte, und das war ein Gefühl so ansteckender Heiterkeit, dass er mitlachen musste.
»Also, mit mir wollten sie ja schon manches machen.« Sie japste und rollte von ihm herunter. »Einer wollte, dass ich die Kleider seiner Mutter anziehe, ein anderer, dass ich Uniform trage, und ich musste dauernd ›Ja, Sir!‹, ›Nein, Sir!‹ sagen. Einer wollte es sogar mal in einer Kirche machen, aber ich bin immer
noch katholisch, ob du’s glaubst oder nicht! Nur auf eine …« Sie begann erneut zu kichern und steigerte sich zu einem Gelächter, für das ihre Bauchmuskeln eigentlich schon zu erschöpft waren. »Eine politische Versammlung … ›Sauberes Victoria‹!«
Sie hörte erst auf zu lachen, als er sich auf sie legte, sein Gesicht in ihre üppigen blonden Haare wühlte und tat, wofür bezahlt zu werden sie gewohnt war.
25.
Die monatliche Versammlung der Literarischen Gesellschaft von St. Louis war eine gemeinhin eher familiäre Veranstaltung. Zwar konnte die Gesellschaft eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Mitgliedern verzeichnen, aber die meisten waren nur beigetreten, um für verhältnismäßig wenig Geld verhältnismäßig viele Bücher zu lesen, die die Gesellschaft anschaffte und in ihrer entsprechend umfangreichen Leihbibliothek zur Lektüre bereithielt. Vorstandsarbeit und Veranstaltungen überließ man jedoch seit Jahrzehnten den immer gleichen, von Gott offenbar zu diesem besonderen Zweck geschaffenen Individuen: dem leider etwas zu progressiven emeritierten Professor Hartford als erstem Vorsitzenden, einer pensionierten Lehrkraft für höhere Töchter, Miss Pringle, als Schriftführerin und der Witwe des Friedensrichters, Mrs. Sheperd, als zweiter Vorsitzender. Kassierer und »Junior« in dieser Runde war der Kaufmann Charles Dorfman, der diese Position eigentlich nur seiner Frau zuliebe ausübte beziehungsweise diese einzige Möglichkeit abendlicher Abwesenheit an immerhin einem Tag der Woche nicht mehr missen wollte.
Da in den Statuten festgelegt war, dass ein Buch angeschafft werden konnte, wenn in diesem Vorstand mindestens Stimmengleichheit herrschte, fiel es Professor Hartford relativ leicht, auch literarische Erzeugnisse anzukaufen, vor denen Miss Pringle ihre Zöglinge ein Leben lang gewarnt hatte. Modernes Zeug, Hawthorne, Melville, Poe, aber immer wieder auch die alten Engländer und ihre fragwürdigen
Romanhelden: Tom Jones, Tristram Shandy, Jack Walton … Einmal im Monat diskutierte man in öffentlicher Versammlung über die brennenden Fragen der Literaturgeschichte, hörte Vorträge wie »Pommeroy und die Aufklärung« und nahm Vorschläge für Neuerwerbungen entgegen. Aber seit einer öffentlichen Lesung aus Typee im Jahr 1846 hatte die Literarische Gesellschaft von St. Louis nicht mehr einen solchen Andrang erlebt wie an diesem Abend, mehr als zehn Jahre später.
Das Erstaunlichste daran war, dass diesmal die Damen das Thema gewählt und die Veranstaltung vorbereitet hatten. Mrs. Harriet Beecher-Stowe hatte sich lange vor allem als Autorin sentimentaler Erzählungen in Frauenzeitschriften hervorgetan, aber eine dieser Fortsetzungsgeschichten hatte ein solches öffentliches Interesse ausgelöst, dass 1852 ein Verleger das Risiko einer Buchausgabe einging – und dreihunderttausend Exemplare von Onkel Toms Hütte waren allein im ersten Jahr über die Ladentheken gegangen. Dieser Erfolg, in den kommenden Jahren noch ausgebaut, war zweifellos darauf zurückzuführen, dass Mrs. Stowe einen Nerv ihrer Zeit und ihrer Landsleute getroffen hatte.
1850 hatte es ein mühsam erkämpfter Kompromiss möglich gemacht, dass Kalifornien als »freier« Staat der Union der Vereinigten Staaten von Amerika beitreten konnte. Damit war, nachdem fünf Jahre zuvor die Aufnahme von Texas den »Sklavenhalterstaaten« die Mehrheit im Senat beschert hatte, wieder eine Parität hergestellt. Aber die freien Staaten des Nordostens hatten sich dafür vertraglich verpflichten müssen, entlaufene Sklaven auf ihrem Gebiet wieder stärker zu verfolgen und gegebenenfalls an ihre Besitzer im Süden auszuliefern. 1854 wurde es auf Betreiben des Südens den Territorien Nebraska und Kansas freigestellt, die Sklaverei zu befürworten, zu dulden oder abzuschaffen; was diese Territorien auf Jahre hinaus in einen bürgerkriegsähnlichen Zustand versetzte.
Immer weniger Menschen zogen deswegen in den unsicheren Westen, die Landpreise sanken wegen der geringeren Nachfrage, die Aktienwerte der Eisenbahngesellschaften und der
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