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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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Tod einige kleinere Propheten aufgestanden, die die Botschaften des Pai Marire fortschrieben und veränderten, aber keiner von ihnen hatte die Autorität, dieses letzte Gebot des alten Te Ua umzustoßen.
    Die Macht eines Maorihäuptlings gründete sich nicht auf seine politische Intelligenz oder militärische Stärke, nicht auf Erbfolge, Lehnswesen oder gar demokratische Wahlen, sondern einzig und allein auf sein persönliches Tapu , die geistige, seelische, transzendentale Kraft, die er ausstrahlte. Spürten die Krieger die unsichtbaren Schwingungen dieser Kraft, folgten sie dem Häuptling bis in den Tod; hatte er sein Tapu verloren, konnte keine Macht der Welt einen freien Maori zwingen, ihn weiterhin als Führer anzuerkennen. Titokowaru musste also Rücksichten auf Traditionen, Rituale, unausgesprochene Glaubenssätze und gesellschaftliche Übereinkünfte hinsichtlich der Beurteilung von Gut und Böse nehmen, die den Pakeha, ihren Königen und Gouverneuren, Generälen und einfachen Soldaten immer fremd blieben.
    Umso schwerer war es für ihn, dem Landraub, den die Weißen mithilfe des 1865 gegründeten Native Land Court betrieben, tatenlos zuzusehen. Das Vorgehen der Pakeha war denkbar simpel: Angeblich um die Eigentumsverhältnisse des den Maori im Vertrag von Waitangi zugesicherten Landes zu vereinfachen, wurde ohne Rücksicht auf die Rechte der Stämme je zehn Individuen ein Stück Land übereignet, das diese dann einzeln und ohne Zustimmung der Häuptlinge an die Weißen verkaufen konnten oder mussten. Angebliche Schulden, Manipulationen und Korruption durch Geld und Alkohol, aber auch die willkürliche Konfiszierung durch weiße Gerichtsvollzieher führten dazu, dass das Land der Ureinwohner immer weiter zusammenschmolz.
Schon bald würden die Ngati Ruanui praktisch heimatlos sein. Dabei den Glauben an das Jahr der Töchter und des Lammes zu behalten fiel schwer.
    Bis auf Mete Kingi, der sich am Wanganui River von jeher mit den Weißen arrangiert hatte und als ihr Kupapa, Verbündeter, galt, pflichteten alle Häuptlinge Titokowaru darin bei, dass dem Treiben der Pakeha Einhalt zu gebieten sei. Einige versprachen sogar, ihm Beistand zu leisten, und besiegelten dieses Bündnis auf traditionelle Art, indem sie eine ungekochte Eidechse verzehrten; was angesichts ihrer europäischen Kleidung, Tweedhosen, Karo-Westen und Bowler-Hüte, einen allerdings reichlich absurden Eindruck machte. Tawhiao spürte als Einziger, dass der Häuptling der Ngaruahine etwas vor ihnen verbarg, aber da Titokowaru sein Keuschheitsgelübde nicht öffentlich gemacht hatte, um sein Tapu nicht zu gefährden, konnte der König auch nicht wissen, wie seinem alten Kampfgefährten zu helfen war.
    Titokowaru litt unter den nächtlichen Vereinigungen mit der Frau, die ihm beinahe jeder seiner Träume schickte. Die Orte, Gegebenheiten, Situationen, ja selbst die Art, auf die sie sich liebten, waren immer unterschiedlich. Nur die Frau nahm auf unheimliche Weise immer individuellere Züge an. Schließlich kannte er jedes einzelne Muttermal auf ihrem Körper, auch die, die nur ein Mann von seiner Ehefrau kennt. Er vermutete, dass ihn der Geist einer Frau quälte, die er in einem früheren Leben besessen und durch irgendetwas Unauslöschbares beleidigt hatte, und opferte, betete zu ihr um Vergebung, aber in der Nacht kam sie wieder zu ihm.
    Es waren keine Alpträume; er schwamm in Lust und Liebe, wenn sie bei ihm lag, aber trotzdem machte sie ihm Angst. Vielleicht hätte es geholfen, mit einer anderen, einer wirklichen Frau zu schlafen, aber das, hatte er geschworen, würde er erst wieder tun, wenn er das Zeichen zum Krieg erhalten hatte, nach dem er Ausschau hielt in allen Dingen. Er wusste nicht, wie das Zeichen aussah, nur, dass er es erkennen würde, wenn es kam.
Irgendwann begann er, die fremde Frau auch am helllichten Tag zu sehen, und hätte sie unter Tausenden sofort erkannt. Wer war dieses Wesen und was wollte es von ihm?
    Als seine Nächte ihn so erschöpften, dass er Fieber bekam, wusste er, dass er den Krieg vorantreiben musste, wenn er Frieden finden wollte, und berief die Versammlung der Häuptlinge nach Te Ngutu o te Manu ein. Aber leider waren sich alle Beteiligten einschließlich des Königs Tawhiao darin einig, dass der Krieg warten musste, bis das Jahr der Töchter und des Lammes vorüber oder aber ein mächtiger neuer Prophet hervorgetreten war.

24.
    Die Hure war jünger als Mrs. Maguire und kleiner und weniger hübsch.

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