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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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an der Angel.

59.
    Nichts aus Memphis, Helena, White River, Napoleon, Millikens Bend. Kein Schiff in Vicksburg, Grand Gulf, Coles Creek und Natchez. Weder in Baton Rouge noch in Donaldsonville oder Carrolton hatte man auch nur eine Rauchwolke von der Deep South gesehen, und entweder war sie unsichtbar geworden, oder sie fuhr überhaupt nicht nach New Orleans, und alle Informationen dieses Detektivs waren der pure Unsinn gewesen.
    Cheever, Huggins, Dick Willoughby, die jüngeren Gentlemen langweilten sich und ärgerten sich, dass sie sich langweilten; so wie unsympathische Knaben sich schon im Vorschulalter ärgern, wenn sie glauben, beim Versteckspiel ein besonders gelungenes Versteck gefunden zu haben, und dann feststellen müssen, dass niemand sie ernsthaft sucht. Desmond Bonneterre steckte sich gar aus purem Trotz eine Zigarre an, obwohl Rauchen im Hafen von New Orleans und damit im Herzen des amerikanischen Baumwollhandels so ziemlich das schwerste und abwegigste Verbrechen war, das ein Mann begehen konnte. In beinahe ungläubigem Zorn gingen nach nicht einmal drei Minuten ein Hafenwächter und ein halbes Dutzend Dockarbeiter auf ihn los, und wohl nur, weil er seine Zigarre sofort ins Wasser warf und anstandslos einhundert Dollar Strafe zahlte, kam er mit heiler Haut davon und zog sich mit seinen Genossen in einen Spielsalon des französischen Viertels zurück.
    Die seriöseren Herren, Thomas Enderby, Henry Hunter und der ältere Willoughby, schienen ebenfalls enttäuscht, aber zumindest die beiden Erstgenannten waren auch ein bisschen schadenfroh, denn der von General Willoughby so hoch gepriesene Yankee-Detektiv war ja wohl eine glatte Fehlinvestition ihres Nachbarn gewesen. Keine seiner Informationen war offenbar auch nur einen Schuss Pulver wert, ihre Nigger längst über alle Berge, und als dann auch noch das Telegramm eintraf, in dem John Lafflin als Jean Laffitte identifiziert wurde, grollte Hunter in seinem tiefsten Bass: »Dazu hätte man auch
diesen Fachmann für retardierende Elemente engagieren können.« Er war wieder einmal drauf und dran, seine Miliz, die die Anlegestellen entlang des Mississippi besetzt hielt, ohne greifbares Ergebnis nach Hause zu schicken. Am frühen Abend änderte sich jedoch alles mit einem Mal: Eben noch geschlagen und ratlos, hatten sie nun nicht nur eine Spur ihrer Nigger, sondern über drei Wochen nach seinem Verschwinden von der Bonneterre-Plantage einen der Nigger selbst. Und sie hatten nicht einmal einen Detektiv dazu gebraucht.
     
    Der alte Mann war nicht gekommen, und Deborah wusste nicht mehr weiter. Einen ganzen Tag lang hatte sie am vereinbarten Treffpunkt gewartet, aber nichts war geschehen. Wenn auch morgen nichts geschah, würde sie unverrichteter Dinge nach Barataria zurückkehren und versuchen müssen, die Flüchtlinge auf eigene Faust in den über tausend Meilen entfernten Norden zu bringen, auch wenn das so gut wie aussichtslos war. Ihre Enttäuschung und Erschöpfung waren so groß, dass sie zuletzt nur noch auf den Fluss und die großen Schiffe starrte; wie leicht wäre es, sich einzeln und allein an Bord zu schmuggeln und den Süden wieder einmal hinter sich zu lassen!
    Deborah überstand diese Anfechtung nur, weil sie an das Nächstliegende denken musste, riss ihre Augen mit einem Ruck, den sie bis in die Magengrube fühlte, vom Fluss und der Freiheit los, die er versprach. Mit schweren Schritten ging sie in die Stadt zurück, um zuerst Gandalod und dann einen Winkel, ein Kellerloch zu suchen, in dem sie die Nacht verbringen könnten. Bei Tag war es leicht, unauffällig durch das Menschengewimmel zu kommen, aber zwei umherstreifende Schwarze bei Nacht würden mit Sicherheit auffallen. Und aufzufallen würde den Tod bedeuten, nicht nur für sie beide, sondern auch für die drei Dutzend verängstigten, hungrigen Menschen im Sumpf. Wo war Gandalod?
     
    Er hatte noch nie eine so große Stadt gesehen. Ein einziges Mal in seinem Leben war er in Baton Rouge gewesen: als der Sklavenhändler, der ihn als Elfjährigen in Magnolia/Arkansas von seinem bankrotten,
versoffenen weißen Vater gekauft hatte, ihn mit einem Gewinn von dreihundertfünfzig Dollar weiterveräußerte. Er hatte sich die Zahlen gemerkt, er war nicht dumm, er wusste das alles noch! Wie der Händler ihm Hemd und Hose heruntergezerrt hatte, auf dem hohen Verkaufspodest, vor aller Augen. Wie sie sein Fleisch, seine Haare betastet, wie sie ihm in den Mund gefasst hatten, wie er hüpfen

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