Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
Junge aus dem Stall ins Hotel, aus dem nur wenige Minuten später mehrere weiße Männer stürzten, als habe sich große Aufregung ihrer bemächtigt. Einer trug sogar noch eine Serviette im Hemdkragen.
»Wo war er? Wo sind die anderen? Was sollen wir mit ihm machen?« Für einen Anführer der Louisiana-Miliz, Regiment Denham Parish, stellte Henry Hunter eigentlich zu viele Fragen.
»Na, was schon?«, krächzte Desmond Bonneterre heiser und rieb seinen zerschundenen Hals. »Wir werden ihn verhören!«
»Aber nicht Sie, Bonneterre!« Hunter hatte sich nach der ersten Aufregung jetzt im Griff und gab wieder den bassdröhnenden Entscheider. »Nicht schon wieder. Sie müssen auch die Interessen der anderen berücksichtigen.«
»Der Mann gehört mir, Hunter«, sagte Bonneterre zum zweiten Mal an diesem Abend.
»Wohl eher Ihrer Mutter, Sir«, erwiderte Hunter erregt.
»Nicht so viel Angst, Mensch!« Der junge Mann lachte leise. »Ich werde ihm schon nichts tun. Im Gegenteil, ich werde ihn nicht mal anfassen. Er soll sich erst mal erholen. Sehen Sie denn nicht, dass der arme Kerl halb verhungert ist und fast totgeschlagen wurde?!« Die Männer lachten, verstanden aber die ironische Haltung Bonneterres nicht.
»Ich werde jedenfalls nach Baton Rouge telegrafieren«, sagte Henry Hunter, sichtlich erleichtert, dass er die endgültige Entscheidung damit nicht nur aufgeschoben, sondern an andere abgetreten hatte. Aber Bonneterre schüttelte den Kopf.
»Das mache ich selbst. Ich brauche hier jemanden, der mir hilft.« Er erhob sich und sah dem Milizführer mit funkelnden Augen ins Gesicht. »Glauben Sie mir, morgen wird er uns alles sagen, was er weiß.« Bonneterre hatte seinen Plan schon gefasst, als er Gandalod vor dem Lynchmob bewahrte. »Er wird sich sogar wünschen, noch mehr zu wissen!« Spielerisch schwang er seinen Spazierstock und ging hinaus.
»Wo wollen Sie hin, Mann?«, rief Henry Hunter ihm nach.
»Nun«, Bonneterre deutete lässig auf seine zerrissene, staubige Kleidung. »Ich werde mich umziehen, waschen und einen angenehmen Abend verbringen, wie es einem Gentleman zusteht!« Als er hinauskam, wobei er immer noch humpelte und seinen Hals rieb, sah er einen schlanken jungen Schwarzen in der Nähe des Stalls und lächelte
grimmig. Nur ein paar Minuten und ein wenig warmes Wasser, und ich bin wieder dein Herr, dachte Bonneterre.
Deborah, die, so gut es ging, an der Tür gelauscht hatte, sprang zurück, als die Männer herauskamen, hörte jetzt, wie der Dicke mit der Serviette im Kragen ein paar kurze Befehle gab. Wenig später kamen zwei der Männer mit Gewehren in der Hand zurück und bezogen Posten, einer im, einer vor dem Stall.
Sie war nun völlig ratlos. Ihr erster Gedanke war, sich sofort und so schnell wie möglich auf den Rückweg zu machen, um ihre Leute aus dem Sumpf zu führen oder tiefer in ihn hinein. Schließlich war klar, dass die Männer Gandalod fragen würden, wo die anderen waren, und mehr als wahrscheinlich, dass er es ihnen früher oder später sagen würde. Gab es eine Möglichkeit, das zu verhindern? Konnte sie ihn befreien? Aber wie weit würden sie kommen, blindlings losrennend, mitten in der Nacht?
Als sie verstand, dass weder die Befragung Gandalods noch die daran irgendwann anschließende Jagd auf Moses und seine Kinder unmittelbar bevorstand, beschloss sie, zumindest die Nacht abzuwarten, morgen in aller Frühe noch einmal den vereinbarten Treffpunkt aufzusuchen und erst dann zurückzugehen. Sie fürchtete, dass dies die falsche Entscheidung war, aber sie hoffte, wünschte sich auch so sehr, der alte Mann würde kommen und ihr zumindest einen kleinen Teil ihrer schweren Verantwortung abnehmen.
62.
Schon in ihrer Schöpfungsgeschichte bewiesen die Griechen einen bemerkenswerten Sinn für Bildlichkeit: Kronos, der Gott der Zeit, entmannt seinen Vater Uranos, die Ewigkeit, und beherrscht nun die Welt, und alle Dinge sind ihm untertan. Durch die Erfahrung der eigenen Tat misstrauisch gegen alles und jeden, ist die Zeit jedoch ein missgünstiger Gott und verschlingt
ihre Kinder, Demeter, Hera, Hades, Poseidon und viele mehr. Nur einer, Zeus, kann Kronos entkommen, verabreicht ihm ein Brechmittel und zettelt mithilfe seiner ausgespienen Brüder und Schwestern eine Revolte an. Die Zeit wird entmachtet, die Götter sind wieder unsterblich, und von allem, was vor Zeus und seiner Familie war, wird nicht mehr gerne geredet – es könnte ja ältere Rechte an der Welt haben.
Die
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