Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
musste.
»Wie groß war dein Vater, Junge?«, hatte ein fetter, schwitzender Weißer gefragt, als der Händler erwähnte, dass er noch wachsen würde.
»Mein Vater war so weiß wie Ihrer!«, hatte er wütend geantwortet und das dröhnende Gelächter der Zuschauer dafür geerntet.
Als aber einer von ihnen noch einen Trumpf daraufsetzte und rief: »Wenn nicht weißer«, um den Kunden zu verhöhnen, versetzte der erboste Mann dem Jungen einen Faustschlag ins Gesicht, der ihm zwei Schneidezähne herausbrach.
»Sir!«, hatte sich der Händler entrüstet: »Erst kaufen, dann schlagen«, was das allgemeine Gelächter noch steigerte. Der Einkäufer der Bonneterres aber war nun gezwungen, den Jungen zu erwerben – und konnte auf dem Weg zur Plantage schon wieder über sich selbst lachen.
Zwei Dutzend Nigger hatte er eingekauft und aneinandergekettet zu dem großen weißen Haus getrieben. Die feine alte Misses war von der Veranda heruntergekommen, hatte ihre Reihe abgeschritten und dabei in einem dicken Buch geblättert. Jeder der neu erworbenen Sklaven bekam von ihr einen neuen Namen, den er sich merken musste. Aus Pompejus, dem römischen General, von dem ihm sein Vater erzählt hatte, wenn er trank und gut gelaunt war, wurde ein lächerlicher Gandalod, von dem niemand wusste, wer oder was er war.
60.
Bonneterre und Dick Willoughby, ohne Cheever und Huggins, die noch zu sehr Söhne schlagkräftiger Väter waren, hatten eben beschlossen, die Nacht in einem Bordell zu verbringen, als sich ohne Vorwarnung ein offenbar wahnsinniger Nigger auf sie stürzte, Willoughby niederschlug und Bonneterre zu Boden warf, ehe der noch seinen Stock heben konnte.
Längelang auf dem Rücken liegend dachte der elegante junge Kreole noch, dass der Mann sich jetzt so schnell wie möglich aus dem Staub machen würde, fühlte aber dann dessen Hände an seinem Hals und sah in zwei hasserfüllte Augen und ein wutverzerrtes Gesicht. Der Bursche wollte ihn töten, sein kostbares weißes Leben aus ihm herauswürgen, aber warum?
Gandalod hatte seinen jungen Herrn schon von Weitem an seinem Spazierstock erkannt und sich sogar umgedreht, um davonzulaufen. Aber er war wie gelähmt. Seine Arme und Beine zitterten vor Schreck, vor Hass, vor Hunger. Seine Gedanken überschlugen sich; wenn auch Bonneterre ihn erkannt hatte, würde er ihm nachlaufen und ihn, geschwächt, wie er war, sicher erwischen.
Sich zu verstecken, klein zu machen, sein Gesicht wegzudrehen barg das gleiche Risiko. Aber zuschlagen, töten – das würde Massa Bonneterre nicht erwarten, das erwarteten die Weißen nie, darin lag seine einzige Chance! Gleichzeitig wusste er, dass nichts davon stimmte. Hass trieb ihn, Rache. Dieser elegante, ölige junge Mann war dabei gewesen, damals, als vier Aufseher ihn vor den Augen Darioletas an das schmiedeeiserne Geländer der Veranda gebunden hatten und …
Aber nicht jetzt! Jetzt war Gandalod frei, und dieser Gedanke trieb mit einem Schlag die Wärme in sein Blut zurück, und er dachte nichts anderes mehr, als er sich auf den schmalen Weißen stürzte.
Er wusste es wieder, wusste es, als hätten die schweren schwarzen Finger an seiner Kehle zuallererst die Erinnerung aus ihm herausgepresst.
Bonneterre erkannte den Mann, wusste nur seinen Namen nicht mehr. Er war dabei gewesen, als man diesen ungebärdigen Feldsklaven, bei dem selbst Peitsche und Halseisen nichts mehr bewirkten, auf Befehl seiner Mutter zum Kapaun gemacht hatte, um ihm die Flausen endgültig auszutreiben – mit der gleichen Zange, die man auch bei den Schweinen benutzte. Er hatte Darioleta, die sich von diesem großen schwarzen Vieh hatte küssen lassen, gezwungen, dabei zuzusehen, und ihren Kopf festgehalten, als sie sich wegdrehen wollte.
Es war, als würden seine Augen aus ihren Höhlen getrieben, die Zunge quoll ihm aus dem Mund, sein eigener Speichel floss ihm bis in die Ohren, und es kam Bonneterre vor, als würde sein Schädel anschwellen vor Luftnot. Schon nach wenigen Sekunden bestand er nur noch aus Todesangst und hörte sogar auf, mit seinem Stock auf den anscheinend völlig unempfindlichen Rücken des Niggers einzuschlagen, der auf ihm hockte wie ein zerlumpter, fleischgewordener Alptraum.
Deborah hörte den Lärm, als sie noch in einer Seitengasse war, und wollte sich schon umdrehen und einen anderen Weg nehmen. Dann bemerkte sie, dass alle anderen, auch die Schwarzen, in Richtung des Lärms liefen und es auffälliger gewesen wäre, gegen den
Weitere Kostenlose Bücher