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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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lebhaft nach vorn stieß. Die Tapete war aus weichem rotem Samt, die Wand selbst bestand allerdings aus solidem Mauerwerk.
    Während Bonneterre zu Boden ging, sprang die Farbige auf und lief ebenfalls aus dem Zimmer, wo Elly, vor ausgestandenem Schrecken schluchzend, in die Arme ihrer Chefin gesunken war. Für die weniger malträtierte, aber ebenso erschrockene Cleo war auf dem Korridor nur noch eine Schulter frei  – die von John Lafflin, der sein geöffnetes Hemd wieder in die Hose gestopft hatte und seinem davoneilenden Lotsen mehr aus Interesse als aus Hilfsbereitschaft hinterhergelaufen war.
    Derart nachlässig gekleidet, das jammernde nackte Mädchen im Arm, auf dem Korridor eines einschlägigen Etablissements, kam er sich weit kurioser vor, als er wollte, und beschloss, seiner Gattin nichts von diesem Intermezzo zu erzählen. Zwar hatte er durchaus vergleichbare Erfahrungen, aber seit mehr als fünfundzwanzig Jahren keine andere Frau mehr berührt als seine eigene, und so bemühte er sich, der aufgeregten Dame lediglich beruhigend und väterlich, ja großväterlich auf den Rücken zu klopfen.
    Als Bonneterre einige Sekunden später wieder zu sich kam, hörte er als Erstes die seltsam ruhige Stimme eines Mannes, der sagte: »Sie haben zwei Möglichkeiten, Sir. Sie können hinausgehen, oder Sie werden hinauskriechen. Ich zähle auf drei!«
    Vor diese Wahl gestellt, versuchte der junge Kreole, sich aufzurappeln, musste dabei aber zur Kenntnis nehmen, dass er seinen rechten Arm nicht bewegen konnte, jedenfalls nicht ohne Schmerzen. Wütend über die ungeahnte Entwicklung der Dinge und zugleich ängstlich, murmelte er: »Das wird ein Nachspiel haben!«
    Die Worte kamen schwer und mühsam über seine aufgeschwollenen Lippen, seine komplette rechte Gesichtshälfte kam ihm vor wie gelähmt, und als der Mann ihn drei Sekunden später im Nacken packte wie eine Katze, um ihn aus dem Haus zu schleifen, wimmerte er kläglich: »Ich gehe, ich gehe!«
    Noch immer hatte er seinen unheimlichen Gegner nicht wirklich angesehen, und erst als Gowers ihm mit rauen Griffen auf die Beine half, erkannte er ihn.
    »Sieh da«, murmelte Bonneterre und fühlte ganz im Geheimen, wie seine Niederlage sich in einen Sieg zu verwandeln begann. »Der Literaturfreund aus St. Louis. Was für eine nette Überraschung!« Er verzog sein zerschlagenes Gesicht zu einem hässlichen Grinsen.
    Auch John Gowers hatte den Mann jetzt als einen der Gentlemen wiedererkannt, die die Versammlung der Literarischen Gesellschaft so gekonnt gesprengt hatten, und nahm ihm den Ledergürtel aus der schlaffen Rechten. Für einen Moment standen die beiden jungen Männer beinahe Brust an Brust, dann schlang Gowers den Gürtel um die Hüften des Gegners und zog so fest an, als wollte er ein Korsett schnüren.
    »Damit Sie Ihre Hosen nicht verlieren, Sir!«
    Bonneterre ächzte, starrte den Engländer aber ansonsten so ausdruckslos an wie ein Basilisk, dann wankte er hinaus und schluckte noch einmal schwer an seinem Kreolenstolz.
    Wir sehen uns wieder!, wollte er drohen, aber weit davon entfernt, sich anzuziehen oder in die angrenzenden Zimmer zu flüchten, standen Cleo und Elly noch immer im Korridor, und ihr angsterfülltes Schluchzen verwandelte sich in wüste Beschimpfungen, als der mühsam gebändigte Freier steifbeinig an ihnen vorüberging. Die schmale Elly, auf deren Rücken sich bereits schmerzhafte rote Striemen gebildet hatten, spuckte ihm sogar ins Gesicht, ehe Maggie sie davon abhalten konnte.

70.
    »Es wäre klug, zumindest für heute Nacht das Quartier zu wechseln«, sagte John Lafflin. Die beiden Männer wussten nicht recht, was sie von der merkwürdigen Begegnung halten sollten, aber das dumpfe Gefühl, dass die Heimlichkeit ihres Tuns aufgedeckt sei, wie es die Verschwörer aller Zeiten und Arten stets begleitet, als Schatten, als schlechter Beigeschmack, hatte sie gepackt. Sie kannten die Zusammenhänge nicht, aber ein Zufall konnte kaum vorliegen, so viel hatten sie in den Augen des Mannes gesehen.
    »Kennen Sie ihn?«, fragte John.
    »Nein.«
    »Irgendeinen der anderen Burschen, mit denen er in St. Louis war?«
    Lafflin schüttelte zum zweiten Mal den Kopf. »Überlegen wir lieber, was wir tun. Ich muss entschieden meinen Kontaktmann treffen, also in New Orleans bleiben. Aber Sie könnten zurück zum Schiff.«
    »Vielleicht sind sie hinter mir her?«, fragte Gowers sich stirnrunzelnd.
    »Was sagte Ihr Kollege? Leute an allen Anlegestellen von

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