Fluch des Wolfes: Alpha & Omega 3 - Roman (German Edition)
Werwölfe könnten die Krankheit seines Geistes an ihm wittern.« Er zögerte. » Ich könnte ihn wittern. Es gibt keinen Wolf im Land, der bereits vor vierzig Jahren, als diese Morde begannen, am Leben war und den ich seither nicht mindestens ein Mal getroffen habe. Aber es könnten auch Vampire sein – oder Hexen.«
» Für einen Vampir ist es um halb sechs Uhr morgens zu dieser Jahreszeit schon ziemlich hell«, gab Anna zu bedenken. » Aber wenn der Killer schon so lange jagt und erfolgreich sowohl Feenwesen als auch Werwölfe tötet, muss er in irgendeiner Weise übersinnlich sein, oder? Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass ein Vampir nicht von seinen Opfern trinken würde– und falls dem so war, hat es uns zumindest niemand gesagt.«
Charles zuckte mit den Achseln und wich einer kleinen Gruppe aus. Angeführt wurde sie von einem Mann, der gekleidet war wie ein Revolutionär, eine gepuderte Perücke trug und eine unangezündete Laterne an einem Stock mit sich herumschleppte. Anna wich auf die andere Seite aus und hörte, was der Führer so von sich gab.
» Revere ritt in dieser Nacht nicht allein, und er wurde zu seinen Zeiten auch nicht für seine Tat berühmt. Paul Revere ist berühmt, weil er– und nicht mein guter Freund William Dawes– derjenige ist, den Longfellow fast hundert Jahre später in seinem berühmten Gedicht erwähnte. Doch Dawes war der andere Reiter, unterwegs, um vor der britischen Revolution zu warnen.« Bevor seine Stimme in den Geräuschen der zur Mittagszeit sehr belebten Stadt unterging, bemerkte Anna, dass seine Sprechweise eine Mischung aus aufgesetztem britischen Akzent und dem schleppenden Dialekt der Südstaaten war; offensichtlich kein Einheimischer.
Charles nahm ihre Unterhaltung wieder auf, als wäre sie nie unterbrochen worden. » Es könnte auch eine Organisation dahinterstecken, die Werwölfe und das Feenvolk hasst– wie die Leuchtende Zukunft oder die John-Lauren-Gesellschaft. Oder eine Gruppe von Jägern, die uns als Herausforderung ansehen.«
» Oder eine Gruppe von schwarzen Hexen– nachdem es sich um mehr als einen Killer handelt.«
» Stimmt. Wir wissen einfach noch nicht genug. Das FBI hat ziemlich akribisch darauf geachtet, welche Informationen es uns zukommen lässt.«
» Mir ist aufgefallen, dass kein einziges der Tatortfotos von den späteren Fällen das Gesicht des Opfers zeigte«, meinte Anna nachdenklich. » Und es waren zu viele Bilder, als dass es einfach nur Zufall gewesen sein kann.«
» Keine Gesichter und auch keine unbedeckten Brustkörbe oder Rücken. Außerdem kein Hinweis auf die Todesart. Wurden sie erwürgt? Erstochen? Das hätte ich Isaac noch fragen sollen.«
» Glaubst du, das FBI wird unsere Hilfe anfordern?« Sie vermutete es, hatte aber Angst davor, ihrer Einschätzung zu trauen, nachdem sie es so sehr wollte. Die Augen der Opfer verfolgten sie.
Charles zuckte mit den Achseln. » Ja, Fisher hat uns angestarrt wie ein Kind einen Lolli. Aber es spielt keine Rolle. Wenn sie es nicht tun, mischen wir uns einfach ein. Es wäre allerdings einfacher, wenn sie uns darum bitten.«
Sie gingen eine Weile ruhig nebeneinander her. Na ja, Charles war ruhig. Annas Schuhe dagegen klapperten über den Gehweg. Sie hätte sich auch geräuschlos bewegen können, aber ihr gefiel, wie ihre Schritte sich fast wie in einem Musikstück mit den Geräuschen der Stadt verbanden.
Sie stieß Charles an, als eine hübsche Frau in einem Business-Kostüm und Schuhen mit quälend hohen Absätzen an ihnen vorbeistöckelte. » Hast du das gesehen? Schau dir ihre Beine an! Schau dir all diese Frauen an, die Kostüm tragen– und ihre Beine! Ihre Unterschenkel sind dicker als ihre Oberschenkel.«
» Man nennt Boston nicht umsonst ›The Walking City‹«, grummelte Charles, als er die Eingangstür zu dem Gebäude öffnete, in dem ihre Wohnung lag. Sobald er das Foyer betreten hatte, ließ seine bedrohliche Aura ein wenig nach. Anscheinend war Charles schon oft genug in diesem Gebäude gewesen, sodass er es nicht länger als feindliches Revier betrachtete.
» Was glaubst du, wann uns das FBI anrufen wird?«, fragte Anna. » Wenn sie uns denn überhaupt anrufen.«
» Gelangweilt?« Er führte sie zur Treppe. Anna folgte ihm gern, nachdem sie bereits einmal mit dem schicken, modernen und sehr langsamen Lift gefahren war.
» Nö. Ich will nur sicherstellen, dass wir noch Zeit haben, heute Abend die Geisterführung zu machen.«
Er warf ihr einen Blick zu.
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