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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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waren. Es wäre viel sinnvoller gewesen, zu singen, was die Lungen hergaben, oder fernöstliche Kampfsportgeräusche auszustoßen, doch mit den Soldaten des Königs auf unseren Fersen, die den Tunnel verlassen hatten, ausgeschwärmt waren, mit ihren Taschenlampen ins Unterholz leuchteten und manchmal Stellen ganz in unserer Nähe erhellten, war das einfach unmöglich. Wie alle anderen Gejagten mußten wir ruhig bleiben und so leise wie möglich weiterschleichen.
    Zum Glück ist es Menschen unmöglich, des Nachts im Dschungel irgend jemand oder irgend etwas zu verfolgen, und die Leibwächter schienen von den Scheinwerfern des Tiger View abgelenkt worden zu sein. Sie bewegten sich zumindest in diese Richtung, als Freds mehrmals in einen Busch sprang und laut »Ah!« rief.
    Ihre Taschenlampen wandten sich in unsere Richtung, und wir liefen los, wobei Freds soviel Lärm machte, wie er konnte.
    »Verdammt, Freds«, keuchte ich, während ich ihm folgte. »Warum hast du das getan?«
    »Bleibt einfach hinter mir«, rief er zurück. »Ich habe einen Plan.«
    Wir führten die Soldaten etwa eine halbe Stunde lang durch den Wald. Dann blieb Freds plötzlich stehen und kauerte sich nieder. »Na schön«, flüsterte er. »Seid still. Wir sind da.«
    »Wo?«
    »Das ist die Wiese der Wilddiebe. Seht ihr? Der Jeep ist wieder da. Wäre doch toll, wenn wir die Soldaten auf die Wilderer hetzen könnten, oder? Hier, sucht etwas, womit ihr werfen könnt. Da liegen ein paar Steine. Werft sie auf den Jeep.«
    Er warf, und nach einer Weile erklang ein Päng! und dann noch eins. Hinter uns ertönten Stimmen, und dann auch auf einer Seite. Die Soldaten bahnten sich nun schnell den Weg durch den Dschungel, und der Strahl einer Taschenlampe erfaßte den Jeep und verharrte auf ihm. Mehr Stimmen, diesmal im Dschungel hinter uns.
    »Verschwinden wir von hier«, flüsterte Freds und ließ sich auf Hände und Knie fallen. Bahadim und ich krochen durch Schlamm und Gebüsch und folgten ihm. Hinter uns erklangen undefinierbare Geräusche und dann Schüsse. Dann ganze Kugelsalven. Wir krochen schneller.
    Schließlich erhob sich Freds.
    »Ich glaube, die Luft ist rein, Jungs!« rief er.
    »So rein scheint sie mir gar nicht zu sein«, wandte Bahadim ein. »Das ist ein Dschungel.«
    »Allerdings. Aber es verfolgt uns niemand mehr.« Und er setzte sich gemächlichen Schrittes in Bewegung.
    Erneut folgten wir ihm. Doch nach einer Weile sagte ich, ziemlich unglücklich: »Du meinst, daß uns keine Menschen mehr verfolgen.«
    »Wieso? Ja. He, glaubst du …« Er blieb stehen, um zu lauschen.
    »Es ist schrecklich still«, verdeutlichte ich.
    Wir gingen weiter, so leise wie möglich.
    »Unheimlich still«, flüsterte ich.
    Und vor uns, hinter irgendeinem Baum, knackte ein Zweig. Anscheinend war da noch ein Geräusch, ein Atmen: ein leises, dumpfes, raspelndes Atmen. Die Art von schabendem Atmen, die auch hätte knurren oder brüllen oder schnurren können.
    »Vielleicht sollten wir Schutz suchen«, flüsterte Freds mit besorgt klingender Stimme.
    »Irgendwelche Vorschläge?«
    »Wie wäre es mit einem Baum?«
    »Ich glaube, Tiger können auf Bäume klettern«, sagte ich.
    »Nee.«
    »Katzen können auf Bäume klettern. Warum nicht auch Tiger? Sie haben die Klauen und die Stärke dafür. Leoparden klettern auf jeden Fall auf Bäume.«
    »Ich glaube trotzdem, daß wir auf einem Baum besser dran sind als hier unten.«
    Und in der Tat umkreisten wir während dieses Gespräch einen großen, doppelstämmigen Baum und versuchten, einen Weg hinauf zu finden, so daß wir hier offensichtlich gegensätzlicher Meinung waren. Bahadim erklärte, einige Tiger könnten klettern, andere wieder nicht. Freds beklagte sich, Saalbäume eigneten sich nicht gut zum Erklettern, was auch stimmte: ihre Stämme erhoben sich zehn Meter oder höher, bevor die ersten Äste hinauswuchsen. Der doppelstämmige Baum, um den wir herumgingen, schien noch unsere beste Möglichkeit zu sein, aber ich war mir trotzdem nicht sicher, ob wir mit ihm nicht sozusagen eine Einbahnstraße hinaufkletterten. Wir standen also ein paar Minuten da und stritten uns mit scharfen Untertönen darüber, ob Tiger nun klettern konnten oder nicht.
    Schließlich brach Freds das Patt, indem er sagte: »Verdammt, wie dem auch sei, ich versuch's. Wollen wir es dem verdammten Tiger doch nicht allzu leicht machen, selbst, wenn er klettern kann.«
    »Und wie willst du da hinaufkommen?« fragte ich ihn.
    »Wie eine Felswand«,

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