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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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bei den anderen; wenn überhaupt, war Adrakian noch begeisterter. »Wir kommen sofort, danke – und wir haben sogar eine Gegeneinladung auszusprechen.« Ich war natürlich voreingenommen, aber er klang wirklich nach einem widerlichen Kerl. Nathans Bezeichnung Theoretiker schien für mich nicht ganz zuzutreffen; ich zog eher etwas wie Arschloch oder so vor.
    »Sehr schön. Die Einladung gilt natürlich Ihrer ganzen Gruppe.«
    Freds und ich warteten in der Bar und beobachteten die Fahrstühle. Amerikaner in ihren besten Safarianzügen strömten hinaus und gingen zum Kasino; man hätte nicht glauben mögen, daß es soviel Polyester in Katmandu gab, aber es reist sich wohl gut darin.
    Zwei Männer und eine untersetzte Frau kamen die breite Treppe neben dem Fahrstuhl hinab. »Sind sie das?« fragte Freds. Ich nickte; sie paßten genau auf Sarahs Beschreibung. Phil Adrakian war klein, schlank und gutaussehend, wenn man auf kalifornische Sunny Boys stand. Valerie Budge trug eine Brille und hatte ihr üppiges lockiges Haar hochgesteckt; irgendwie wirkte sie intellektuell, wo Sarah nur lernbegierig wirkte. Der Geldgeber, J. Reeves Fitzgerald, war um die Sechzig und sah sehr fit aus, wenngleich er eine Zigarre rauchte. Er trug eine Safarijacke mit acht Taschen darauf. Adrakian unterhielt sich leise mit ihm, als sie durch das Foyer zur Kasinobar gingen, und ich hörte, wie er sagte: »… besser als eine Pressekonferenz.«
    Ich hatte eine letzte Eingebung und kehrte zu den Telefonen zurück. Ich fragte die Hotelvermittlung nach Jimmy Carter und wurde verbunden; es hob jedoch ein sehr geschäftsmäßig klingender Mann mit einem Akzent ab, der verriet, daß er aus dem Mittelwesten stammte. »Hallo?«
    »Hallo, ist da die Suite der Carters?«
    »Darf ich fragen, wer dort spricht?«
    »Hier ist J. Reeves Fitzgerald. Ich möchte Sie bitten, die Carters zu informieren, daß die Amerikaner im Sheraton für heute nachmittag einen Empfang für sie in der Kasinobar des Hotels organisiert haben.«
    »… ich bin nicht sicher, ob Ihr Zeitplan ihnen die Teilnahme erlaubt.«
    »Ich verstehe. Aber lassen Sie es sie bitte trotzdem wissen.«
    »Natürlich.«
    Zurück zu Freds, wo ich mit zwei Schlucken ein Glas Bier leerte. »Na ja«, sagte ich. »Irgend etwas wird passieren. Gehen wir rauf.«

8

    Ich klingelte bei Nathan und Sarah an, und sie trafen uns vor der Tür des Zimmers 355. Sarah schloß uns auf. Es war eine große Suite – typischer Holiday Inn-Stil –, die sich in jeder Stadt auf der Erde befinden könnte. Abgesehen von dem leichten Geruch nach nassem Fell.
    Sarah ging zur Badezimmertür und entriegelte sie. Dahinter regte sich etwas. Nathan, Freds und ich traten unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Eine Bewegung, und dann stand er vor uns. Ich starrte in die Augen des Yetis.
    In der Tourismusbranche von Katmandu gibt es Kalender, Postkarten und bedruckte T-Shirts mit der Zeichnung eines Yetis darauf. Es ist immer dieselbe Zeichnung, was ich nie begriffen habe: Warum sollten sich alle auf dieselbe Vermutung versteifen? Es ärgerte mich: ein kleiner Pelzball, der einem den Rücken zugewandt hatte, mit dem üblichen Affengesicht über die Schulter zurück sah und die Sohle eines großen nackten Fußes zeigte.
    Es freut mich, Ihnen bestätigen zu können, daß der echte Yeti ganz anders aussah. Oh, ein Fell hatte er schon; aber er hatte etwa Freds' Größe und ein eindeutig humanoides Gesicht, umgeben von einer bartähnlichen Krause aus mattem rötlichem Pelz. Er sah ein wenig wie Lincoln aus – klar, wie ein kleiner und sehr häßlicher Lincoln mit einer platten Nase und ziemlich hervorstehenden wulstigen Brauen –, aber die Ähnlichkeit war vorhanden. Es erleichterte mich, wie menschlich sein Gesicht wirkte – mein Plan hing davon ab, und ich war froh, daß Nathan bei seiner Beschreibung nicht übertrieben hatte. Das einzige Merkmal, das wirklich ungewöhnlich wirkte, war der Hinterhauptkamm, ein schmaler erhöhter Streifen aus Knochen und Muskeln, der längs über seinen Kopf verlief, als habe der Schädel selbst einen Mohikaner-Haarschnitt.
    Na ja, wir alle standen da wie eine Statue mit dem Namen »Menschen treffen Yeti«, als Freds sich entschloß, das Eis zu brechen; er trat vor und reichte dem Burschen die Hand. »Namaste!« sagte er.
    »Nein, nein …« Nathan drängte sich an ihm vorbei und streckte das Halsband mit den fossilen Muscheln aus, das er im Frühjahr bekommen hatte.
    »Ist das derselbe?« krächzte

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