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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Frau machte einen Satz. »Nathan! Mein Gott! Was … was tust du denn hier?«
    Verdrossen: »Du weißt, weshalb ich hier bin, Sarah.« Er stand noch kerzengerader da als sonst und funkelte sie an. Der Blick hätte nicht anklagender sein können, hätte man sie gerade am Mord seiner Mutter schuldig gesprochen.
    »Was …?« Ihre Stimme ließ sie im Stich.
    Nathans Lippen kräuselten sich verächtlich. Ich befürchtete schon, daß er die Schuld-Masche gewaltig übertrieb, und wollte gerade dazwischentreten und eine nicht so auf Konfrontation bedachte Annäherung versuchen, als dann mitten in seinem nächsten Satz echter Schmerz; in seiner Stimme mitschwang: »Ich hätte nicht gedacht, daß du dazu fähig bist, Sarah.«
    Mit ihrer hellbraunen Ponyfrisur und den großen Brillengläsern sah sie wie ein Schulmädchen aus. Jetzt war diesem Schulmädchen unbehaglich zumute: ihre Lippen zitterten, und sie stotterte schnell: »Ich … ich …« Und dann verlor sie die Fassung, und mit einem leisen Schluchzer taumelte sie auf Nathan zu und brach an seiner breiten Schulter zusammen. Er tätschelte mit einem verwirrten Gesichtsausdruck ihren Kopf.
    »Oh, Nathan«, sagte sie, noch immer elendig schluchzend. »Es ist so schrecklich …«
    »Ist ja schon gut«, sagte er, steif wie ein Brett. »Ich weiß.«
    Die beiden vertieften sich für eine Weile in ihren Gedankenaustausch. Ich räusperte mich. »Warum gehen wir nicht irgendwo hin und trinken etwas«, schlug ich vor, mit dem sicheren Gefühl, daß die Dinge schon wieder etwas freundlicher aussahen.

6

    Wir gingen in die Cafeteria des Hotels Annapurna, und dort bestätigte Sarah Nathans schlimmste Befürchtungen. »Sie haben ihn im Badezimmer eingesperrt.« Anscheinend fraß der Yeti immer weniger, und Valerie Budge drängte Mr. Fitzgerald, ihn sofort dem lächerlichen kleinen Zoo der Stadt zu überstellen, doch Fitzgerald flog eine Gruppe Wissenschaftler und Fachjournalisten ein, um morgen oder übermorgen eine Pressekonferenz abzuhalten, und er und Phil wollten bis dahin warten. Sie hofften darauf, daß die Carters der Enthüllung, wie Freds es nannte, beiwohnten, hatten aber noch keine Zusage bekommen.
    Freds und ich stellten Sarah Fragen über die Vorgänge im Hotelzimmer. Anscheinend wechselten sich Phil, Valerie Budge und Fitzgerald mit der ständigen Bewachung des Badezimmers ab. Wie fütterten sie ihn? Wie fügsam war er? Frage, Antwort, Frage, Antwort. Nach ihrem ursprünglichen Zusammenbruch erwies sich Sarah als zähe und vernünftige Frau. Nathan andererseits verschwendete nur unsere Zeit, indem er unentwegt wiederholte: »Wir müssen ihn da rausholen, und zwar schnell, sonst ist es sein Ende.« Sarahs Hand auf der seinen nährte die Flamme nur noch. »Wir müssen ihn einfach retten.«
    »Ich weiß, Nathan«, sagte ich und versuchte nachzudenken. »Das wissen wir schon.« Langsam entstand in meinem Hinterstübchen ein Plan. »Sarah, hast du einen Zimmerschlüssel?« Sie nickte. »Na gut, gehen wir.«
    »Was, sofort?« rief Nathan.
    »Klar! Wir haben es doch eilig, oder? Diese Reporter werden bald eintreffen, und sie werden merken, daß Sarah verschwunden ist … Und wir müssen uns vorher noch ein paar Sachen besorgen.«

7

    Es war schon später Nachmittag, als wir zum Sheraton zurückkehrten. Freds und ich fuhren auf gemieteten Fahrrädern, und Nathan und Sarah folgten in einem Taxi. Wir machten dem Taxifahrer klar, daß er vor dem Hotel auf uns warten sollte; dann stiefelten Freds und ich hinein, gaben Nathan und Sarah das Zeichen, daß alles in Ordnung sei, und gingen direkt zu den Telefonen in der Lobby. Nathan und Sarah gingen zur Rezeption und nahmen sich ein Zimmer; sie mußten eine Weile untertauchen.
    Ich rief in allen Zimmern auf der obersten Etage des Hotels an (der dritten), über die Hälfte davon wurden von Amerikanern bewohnt. Ich erklärte, ich sei J. Reeves Fitzgerald, Assistent der Carters, die ebenfalls in dem Hotel wohnten. Alle wußten über die Carters Bescheid. Ich erklärte, die Carters würden einen kleinen Empfang für die Amerikaner im Hotel geben, und wir hofften, sie würden daran teilnehmen und in die Kasinobar kommen – die Carters würden in etwa einer Stunde dort sein. Alle freuten sich über die Einladung (bis auf einen verdrossenen Republikaner, bei dem ich schließlich auflegen mußte) und versprachen, gleich zu kommen.
    Der letzte Anruf galt Phil Adrakian in Zimmer 355; ich gab mich als Lionel Holding aus. Es klappte so gut wie

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