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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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sein; diese Fähigkeit übersteigt jede bewußte Berechnung und hat etwas zu tun mit einer tiefen mystischen Verständigung mit den kosmischen Zyklen und so. Aber scheinbar arbeitete ich bei dieser Sache mit Menschen zusammen, deren Gefühl für das richtige Timing so kosmisch schrecklich war, daß meins völlig unterging. Das ist die einzige Erklärung, die ich dafür habe.
    Denn da waren wir, begleiteten einen Yeti durch einen Gang des Everest Sheraton International und gingen ganz gemächlich daher, der Yeti krummbeinig – ziemlich krummbeinig, aber ansonsten einigermaßen normal. Eine ganz gewöhnliche Touristengruppe in Nepal. Wir entschieden uns, die Treppe zu nehmen, um ein eventuelles Gedränge im Fahrstuhl von vornherein zu vermeiden, und traten durch die Schwingtüren ins Treppenhaus. Und da kamen Jimmy Carter, Rosalynn Carter und fünf Jungs vom Secret Service die Treppe zu uns hinab.
    »Mann!« rief Freds aus. »Ich will verdammt sein, wenn das nicht Jimmy Carter ist! Und auch Rosalynn!«
    Das war wohl die beste Möglichkeit, die Situation auszubaden; Freds gab sich einfach ganz natürlich. Ich weiß nicht, ob die Carters zu einem Ausflug aufbrachen oder tatsächlich an meinem Empfang teilnehmen wollten; sollte das letztere zutreffen, war mein Einfall, sie ebenfalls einzuladen, wirklich nicht besonders gut gewesen. Auf jeden Fall kamen sie die Treppe runter und blieben dann auf dem Absatz stehen. Wir blieben auf dem Absatz stehen. Die Jungs vom Geheimdienst hielten uns genau im Auge und blieben auf dem Absatz stehen.
    Was nun? Jimmy schenkte uns sein berühmtes Lächeln, und es hätte genauso gut das Titelbild des Tiwe-Magazines schmücken können, so ein vertrauter Anblick war es. Nein, doch nicht ganz. Nicht genauso. Sein Gesicht war natürlich älter geworden, und es erweckte den Anschein, als habe er gerade eine ernsthafte Krankheit oder eine große Naturkatastrophe überstanden. Es sah aus, als sei er durchs Feuer gegangen und sei in die Welt zurückgekehrt und wisse nun besser als die meisten Menschen, was es mit dem Feuer auf sich hat. Es war ein gutes Gesicht, es zeigte, was ein Mensch alles aushalten kann. Und er war ganz entspannt; diese Art von Unterbrechung gehörte zu seinem täglichen Leben, war Teil des Jobs, zu dem er sich neun Jahre vorher freiwillig gemeldet hatte.
    Ich war alles andere als entspannt. Und als die Jungs vom Geheimdienst dann Buddha mit ihren undeutbaren scharfen Blicken musterten, fühlte ich, wie mein Herz stehenblieb, und mußte meinem Oberkörper einen kleinen Ruck geben, damit es weiterschlug. Nathan hatte schon in dem Augenblick, da er Carter sah, das Atmen eingestellt, und nun wurde er über der scharfen Linie seines Bartes ganz blaß. Es wurde noch schlimmer, als Freds vorwärtstrat und eine Hand ausstreckte. »Hallo, Mr. Carter, namaste! Schön, Sie kennenzulernen.«
    »Hallo, wie geht's euch allen.« Noch mehr von dem berühmten Lächeln. »Wo kommt ihr alle her?«
    Und wir antworteten »Arkansas«, »Kalifornien«, »M-Massachusetts«, »Oregon«, und bei jedem lächelte er und nickte anerkennend und vergnügt, und Rosalynn lächelte auch und sagte »Hallo, hallo!«, aber mit jenem entrückten Blick, den ich schon während der Jahre seiner Amtszeit bemerkt hatte und der besagte, wenn's nach ihr ging, könnten wir alle genauso gut dort sein, wo der Pfeffer wächst. Jimmy schüttelte nacheinander jedem von uns die Hand – bis Buddha an der Reihe war.
    »Das ist unser Führer, B-Badim Badur«, sagte ich. »Er spricht kein Englisch.«
    »Ich verstehe«, sagte Jimmy. Und er nahm Buddhas Hand und schüttelte sie kräftig.
    Ich hatte mich entschlossen, Buddha keine Handschuhe anzuziehen, eine Entscheidung, die ich nun ernsthaft bedauerte. Hier hatten wir einen Mann, der in seinem Leben mindestens eine und vielleicht sogar zehn Millionen Hände geschüttelt hatte; wenn es einen Experten auf der Welt fürs Händeschütteln gab, dann ihn. Und kaum hatte er Buddhas lange, knochige Hand ergriffen, wußte er, daß etwas nicht in Ordnung war. Ein paar Furchen gesellten sich zu dem Netzwerk von Falten um seine Augen, und er betrachtete Buddhas eigentümliche Aufmachung genauer.
    Ich fühlte, wie der Schweiß aus meiner Stirn quoll und sie bedeckte. »Äh, Badim ist etwas schüchtern«, sagte ich, als der Yeti plötzlich grunzte.
    »Naa-maas-taii«, sagte er mit heiserer, rauher Stimme.
    »Namaste!« erwiderte Jimmy und grinste das berühmte Grinsen.
    Und das, Leute, war das

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