Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman
mir.
»Das FBI hat alles sorgfältig eingefädelt. Ich wurde unter dem falschen Namen Paul Barker zu ihm geschickt, als Anwalt, der Arbeit suchte und schnell reich werden wollte. Ich brachte ihn dazu, mich für seine Geschäfte zu ködern. Natürlich hat er mich überprüft, und als ihm gewisse Sachen spanisch vorkamen, hat er mich schließlich zur Rede gestellt. Ich gab zu, dass ich unter einem falschen Namen lebte und dass ich ein Kronzeuge für das FBI sei. Es ist sehr kompliziert und schwer zu erklären, aber am Ende glaubte Sparacino, dass ich früher mal in Tallahassee in illegale Machenschaften verwickelt gewesen und dabei erwischt worden sei, und dass das FBI mir dafür, dass ich ausgepackt hatte, eine neue Identität verschafft hatte.«
»Warst du denn wirklich in illegale Machenschaften verwickelt?«, fragte ich.
»Nein.«
»Ethridge ist der Meinung, du wärest es gewesen«, entgegnete ich. »Und auch, dass du einige Zeit im Gefängnis gesessen hättest.«
»Das wundert mich nicht, Kay. Die Federal Marshals arbeiten normalerweise sehr gut mit dem FBI zusammen. Auf dem Papier sieht der Mark James, den du einmal gekannt hast, ziemlich mies aus. Ein Anwalt, der zum Verbrecher geworden ist, der aus der Anwaltskammer ausgeschlossen wurde und zwei Jahre im Knast verbracht hat.«
»Ist dann Sparacinos Verbindung mit Orndorff & Berger auch nur Fassade?«, fragte ich.
»Ja.«
»Wozu, Mark? Es muss doch mehr dahinterstecken als seine Publicity-Schweinereien.«
»Wir sind der Überzeugung, dass er für das organisierte Verbrechen Geld gewaschen hat. Geld aus dem Drogenhandel. Wir glauben auch, dass er in schmutzige Casino-Geschäfte verwickelt ist. Auch Politiker, Richter und andere Anwälte stecken mit drin. Das Netz ist unglaublich fein verästelt. Wir wissen schon eine ganze Zeit davon, aber wenn ein teil der Justiz einen andereneines Verbrechens bezichtigt, kann das ziemlich gefährlich werden. Wir mussten unbedingt hieb- und stichfeste Schuldbeweise haben. Deshalb wurde ich auf die Sache angesetzt. Ich fand immer mehr heraus. Aus drei Monaten wurden sechs, und daraus wurden Jahre.«
»Das verstehe ich nicht. Seine Kanzlei ist doch so solide, Mark.«
»New York ist Sparacinos persönliches Jagdgebiet. Dort ist er mächtig. Orndorff & Berger wissen sehr wenig darüber, was er tut. Ich habe nie für diese Kanzlei gearbeitet. Man kennt dort nicht einmal meinen Namen.«
»Aber Sparacino kennt ihn«, bedrängte ich ihn. »Ich habe gehört, wie er von dir als Mark sprach.«
»Ja, er kennt meinen wirklichen Namen. Wie ich schon sagte, das FBI war sehr vorsichtig. Sie haben mein leben ziemlich clever umgeschrieben und eine Spur gelegt, die zu einem Mark James führt, den du nicht wiedererkennen, geschweige denn mögen würdest.« Er schwieg für einen Moment, und sein Gesicht war bitter. »Sparacino und ich hatten ausgemacht, dass er mich in deiner Gegenwart Mark nennen sollte. Sonst hieß ich Paul für ihn. Ich arbeitete für ihn. Eine Zeitlang wohnte ich bei seiner Familie. Ich war wie ein loyaler Sohn für ihn, jedenfalls glaubte er das.«
»Ich weiß, dass man bei Orndorff & Berger nie etwas von dir gehört hat«, gestand ich. »Ich habe nämlich versucht, dich in New York und Chicago anzurufen, und niemand dort wusste, von wem ich sprach. Ich habe Diesner angerufen. Auch er wusste nicht, wer du warst. Ich bin vielleicht kein guter Flüchtling, aber du bist ein ebenso schlechter Spion.«
Wieder schwieg er für einen Augenblick.
Dann sagte er: »Das FBI musste mich zurückziehen, Kay. Weil du plötzlich mit im Spiel warst, habe ich eine Menge riskiert. Ich war auf einmal gefühlsmäßig in der Sache verwickelt, weil du mit drinstecktest. Ich war dumm.«
»Was soll ich denn dazu sagen?«
»Trink deinen Wein, und sieh zu, wie der Mond über Key West aufgeht.«
»Aber Mark«, begann ich, doch mittlerweile hatte er mich hoffnungslos in seinen Bann gezogen, »es gibt da einen wichtigen Punkt, den ich nicht verstehe.«
»Ich bin mir sicher, dass es eine ganze Reihe von Punkten gibt, die du nicht verstehst und die du vielleicht auch nie verstehen wirst, Kay. Eine lange Zeit liegt zwischen uns beiden, und wir können diese Kluft nicht an einem Abend überbrücken.«
»Du hast gesagt, dass Sparacino dich auf mich angesetzt hat, um mich auszuhorchen. Woher wusste er, dass du mich kanntest? Hast du ihm das erzählt?«
»Er hat dich in einem Gespräch, das wir kurz nach dem Mord an Beryl führten, erwähnt.
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