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Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman

Titel: Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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eine Olefin, eine Polyäthylen und eine Dynel. Die ersten drei sind ebenfalls vom Typ Teppichfaser. Die aus Dynel hingegen ist interessant, denn Dynel kommt eigentlich recht selten vor. Man findet es hauptsächlich bei Webpelzmänteln, Teppichen aus imitiertem Fell und bei Perücken. Aber diese Dynelfaser ist ziemlich dünn, was eher auf einen Kleiderstoff schließen lässt.«
    »Also die einzige Kleiderfaser, die Sie finden konnten?« »Ja, das könnte sein«, antwortete sie.
    »Beryl hat wahrscheinlich einen gelblich braunen Hosenanzug getragen ...«
    »Der ist nicht aus Dynel«, wandte sie ein, »wenigstens nicht die Hose und das Jackett. Beide bestehen aus einer Baumwoll-Polyester-Mischung. Es wäre höchstens möglich, dass ihre Bluse aus Dynel war, aber solange wir sie nicht gefunden haben, ist dasreine Spekulation.« Sie nahm einen weiteren Objektträger und legte ihn unter das Mikroskop. »Zu der orangefarbenen Faser, der einzigen aus Acryl, wäre zu sagen, dass sie einen Querschnitt aufweist, dessen Form mir bisher unbekannt war.« Sie zeichnete mir auf, was sie meinte. Die Zeichnung sah aus wie drei in der Mitte zusammenhängende Kreise, was etwa die Form eines dreiblättrigen Kleeblatts ohne Stängel ergab. Man stellt Kunstfasern her, indem man einen geschmolzenen oder gelösten Polymer durch die feine Öffnung einer Spinndüse presst. Im Querschnitt weisen die so erzeugten Fäden oder Fasern dann dieselbe Form auf wie die Spinndüse, so wie ein Zahnpastastrang denselben Querschnitt hat wie die Öffnung der Tube, aus der er gedrückt wurde. Auch ich hatte noch nie eine solche Kleeblattform gesehen. Die meisten Acrylfasern haben im Querschnitt die Form einer Erdnuss, eines Hundeknochens, einer Hantel, eines Kreises oder eines Pilzes.
    »Hier.« Joni rutschte zur Seite und machte Platz für mich. Ich blickte in die Okulare. Die Faser sah aus wie ein geflecktes, verdrehtes Band in verschiedenen Schattierungen von kräftigem Orange, das mit schwarzen Teilchen von Titandioxid besprenkelt war.
    »Wie Sie sehen«, erklärte Joni, »ist auch die Farbe ein bisschen seltsam. Dieses Orange. Ungleichmäßig mit Titandioxid behandelt, um den Glanz der Faser zu dämpfen. Trotzdem ist das Orange immer noch ausgesprochen grell, was für Kleidung oder Teppiche doch recht ungewöhnlich wäre. Der Durchmesser ist mittelgroß.«
    »Was auf eine Teppichfaser schließen ließe«, sagte ich, »trotz der merkwürdigen Farbe.«
    »Möglicherweise.«
    Ich überlegte, welche Materialien ich kannte, die grellorange waren. »Wie steht es mit den orangefarbenen Jacken, wie sie zum Beispiel von Straßenarbeitern getragen werden?«, fragte ich. »Sie haben eine besonders grelle Farbe, und eine Faser davon würde doch gut zu den anderen autospezifischen Partikeln passen, die Sie entdeckt haben.«
    »Das halte ich für unwahrscheinlich«, antwortete Joni. »Die meisten dieser Jacken sind aus Nylon, nicht aus Acryl, und normalerweise sehr fest gewebt, so dass sie wahrscheinlich kaum Fasern verlieren. Die Windjacken, wie man sie bei Verkehrspolizisten sieht, sind aus einem glatten Stoff, der auch wenig fasert, und fast immer aus Nylon.« Nach einer kurzen Pause fügte sie nachdenklich hinzu: »Außerdem würde man bei diesen Kleidungsstücken keine Partikel verwenden, die den Glanz der Faser reduzieren, denn diese Jacken sollen ja so auffällig wie möglich sein.«
    Ich drehte mich vom Mikroskop weg. »Wie dem auch sei, diese Faser ist wirklich eigenartig, und ich vermute, dass sie patentiert ist. Irgendjemand da draußen müsste wissen, worum es sich bei ihr handelt, auch wenn wir sie aus Mangel an geeignetem Vergleichsmaterial nicht identifizieren können.«
    »Na dann, viel Glück!«
    »Ich weiß. Der in der Wirtschaft übliche Gedächtnisschwund«, sagte ich. »Die Textilindustrie hütet ihre Geheimnisse besser als andere Leute die Höhe ihres Gehalts.«
    Joni reckte ihre Arme und massierte sich am Nacken. »Ich halte es ja nach wie vor für ein Wunder, wie es das FBI geschafft hat, im Wayne-Williams-Fall so viel Kooperation zu bekommen«, sagte sie und spielte dabei auf die grässliche Mordserie zu Beginn der achtziger Jahre an, die Atlanta zweiundzwanzig Monate in Atem gehalten hatte und bei der die Behörden annahmen, dass ein und derselbe Mörder nicht weniger als dreißig schwarze Kinder umgebracht hatte. Faserspuren, die man bei zwölf der Opfer fand, konnten der Wohnung von Williams zugeordnet werden sowie den Autos, die er

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