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Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman

Titel: Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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mit schweren Charakterschwächen. Er war sehr gescheit und hätte sicher den besten Abschluss gemacht und anschließend für den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs gearbeitet, wenn ich ihm dabei nicht in die Quere gekommen wäre.« Er schwieg für einen Augenblick. »Ich war es, der schließlich nach Washington ging und das Privileg genoss, für Hugo Black arbeiten zu dürfen. Robert blieb in New York.«
    »Hat er Ihnen das jemals verziehen?«, fragte ich, und in mir verdichtete sich ein böser Verdacht. »Zwischen ihm und Ihnen muss es doch eine ganze Menge Rivalität gegeben haben. Hat er Ihnen jemals verziehen, dass Sie ihn ausgestochen haben, indem Sie den besten Abschluss erzielt haben?«
    »Er vergisst nie, mir eine Weihnachtskarte zu schicken«, sagte Ethridge trocken. »Von einem Computer-Adressprogramm erstellt. Seine Unterschrift ist ein Stempel, und mein Name ist falsch geschrieben. Gerade unpersönlich genug, um beleidigend zu wirken.«
    Jetzt ergab es mehr Sinn für mich, dass Ethridge alle Angriffe Sparacinos auf mich über sein Büro laufen lassen wollte.
    »Denken Sie, dass er mir möglicherweise diese Schwierigkeiten macht, um Ihnen eins auszuwischen?«, fragte ich zögernd.
    »Was? Dass dieses verschwundene Manuskript nur ein Trick von ihm ist? Dass er diesen staatsweiten Stunk inszeniert, nur um mir indirekt ein blaues Auge und jede Menge Kopfschmerzen zu verpassen?« Er lächelte grimmig. »Ich halte es für unwahrscheinlich, dass das sein einziges Motiv ist.«
    »Aber es könnte doch ein zusätzlicher Ansporn für ihn sein«, bemerkte ich. »Er weiß bestimmt, dass jedes juristische Durcheinander, jeder Rechtsstreit, in den er meine Behörde verwickelt, mit dem Staatsanwalt ausgefochten wird. Nach dem, was ich von Ihnen gehört habe, ist er ein nachtragender Mensch.«
    Ethridge schlug seine Fingerspitzen in langsamem Rhythmusaneinander, schaute an die Decke und sagte: »Ich will Ihnen einmal schildern, was man sich über Sparacino erzählte, als wir zusammen an der Columbia studierten. Er stammt aus einer kaputten Familie und lebte bei seiner Mutter. Sein Vater, von dem er sich ziemlich entfremdet hatte, machte viel Geld an der Wall Street. Anscheinend besuchte Sparacino als Junge seinen Vater ein paarmal im Jahr. Er war frühreif und verschlang ein Buch nach dem anderen. Die Welt der Literatur hatte es ihm angetan. Bei einem seiner Besuche überredete er seinen Vater, mit ihm zum Lunch ins Algonquin zu gehen, und zwar an einem Tag, als Dorothy Parker und ihr berühmter runder Tisch dort tagen sollten. Robert war damals nicht älter als neun oder zehn. Er hatte, dieser Geschichte zufolge, die er offensichtlich seinen Saufkumpanen an der Columbia erzählt hatte, alles im Voraus geplant. Er wollte hinüber zu Dorothy Parkers Tisch gehen, ihr die Hand geben und sich vorstellen mit den Worten: Miss Parker, es freut mich so, Sie hier zu treffen und so weiter. Als er dann wirklich an ihrem Tisch stand, brachte er Folgendes heraus: Miss Parker, es trifft mich so, Sie zu erfreuen. Woraufhin sie geistesgegenwärtig bemerkte: Das haben mir schon viele Männer gesagt, aber keiner von ihnen war so jung wie du. Das darauffolgende Gelächter war für Sparacino quälend und erniedrigend. Er hat es nie vergessen.«
    Die Vorstellung, wie dieser kleine Fettsack seine verschwitzte Hand anbot und so etwas sagte, kam mir so erbärmlich vor, dass ich nicht lachen konnte. Hätte mich einer der Helden meiner Kindheit auf diese Weise in Verlegenheit gebracht, ich hätte es sicher auch niemals vergessen.
    »Ich erzähle Ihnen das«, fuhr Ethridge fort, »Um Ihnen eine Vermutung näherzubringen, die sich mittlerweile bestätigt hat, Kay. Als Sparacino diese Geschichte an der Columbia zum Besten gab, war er betrunken und verbittert und posaunte hinaus, dass er sich rächen, dass er Dorothy Parker und dem Rest dieser elitären Bande zeigen werde, dass man ihn nicht ungestraft zum Narren halten könne. Und was ist passiert?« Er warf mir einen wissenden Blick zu. »Er ist einer der mächtigsten Literaturanwälte imganzen Land geworden. Er verkehrt mit Verlegern, Agenten und Schriftstellern, die ihn alle insgeheim hassen, aber klugerweise vor ihm auf der Hut sind. Man munkelt, dass er regelmäßig zum Lunch ins Algonquin geht und darauf besteht, dort alle Verträge über Film- und Buchrechte unterzeichnen zu lassen. Bestimmt grinst er dabei Dorothy Parkers Geist in Gedanken hämisch an.« Er schwieg einen Moment und fragte

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